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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Der tote Mönch, die entwendeten Reliquien, Elisabeth, der Kirchenbrand. Dann der Schlag auf den Kopf und nun auch Elysa.
    »Ich ertrage es nicht länger«, rief sie aus. »Dieses ist ein gottverdammter Ort.«
    Augenblicklich verstummte der Gesang. Otilie bekreuzigte sich, und Jutta starrte sie erschrocken an. »Hab Vertrauen, Schwester. Gott wacht über uns und unserem Kloster. Währenddu ohne Bewusstsein warst, hat sich die Priorin der Hilfe eines Priesters versichert, der den Exorzismus sprach. Zunächst gegen den Hagel, doch er wird auch die Dämonen vertreiben, die dieses Kloster heimsuchen.«
    »Und Elysa? Wer kann ihrer Seele jetzt noch helfen?«
    »Wir sollten beten und auf den Herrn vertrauen.«
    Margarete senkte den Kopf zum Gebet und dachte an Adalbert von Zwiefalten und all die Fürbitten, die sie für ihn gesprochen hatten. Würde Jutta dieses Mal recht behalten?

11
    I n Mainz beugten sich zwei Männer über einen schweren Eichentisch. Der eine, ein geistlicher Würdenträger, war groß und wohlgenährt. Der andere, um einiges kleiner, hohlwangig und mit tiefliegenden Augen, war seit kurzem im Amt des Magister Scholarus.
    Der Himmel hing schwarz und verdunkelte den Raum.
    »Rasch, ich brauche mehr Licht«, sagte der Magister und starrte mit zusammengekniffenen Brauen auf das vor ihm liegende Pergament.
    Der Geistliche rief knappe Anweisungen. Gleich darauf entzündete ein Bediensteter die Leuchter, stellte einen auf dem Tisch ab und verschwand so leise, wie er gekommen war.
    »Was habt Ihr herausgefunden?«
    »Zweifellos«, begann der Magister, »entstammt dieses Pergament einem wohlhabenden Kloster. Es ist überaus gewissenhaft bearbeitet, eine Kostbarkeit. Wahrlich, Ihr habt nicht zu viel versprochen.«
    »Entstammt es dem Skriptorium des Klosters Rupertsberg?«
    »Ja, soweit stimmen die Angaben überein.«
    »Was haltet Ihr von dem Text?«
    Der Magister blickte auf. »Ein wahrhaft prophetischer Text. Als ich ihn las, glaubte ich, ihn schon einmal vernommen zu haben.«
    »Ihr kanntet ihn?«
    »Ja, aber lasst mich zuerst auf den Inhalt kommen.« Er strich sanft über das Pergament. »Der Riss ist überaus ärgerlich, doch davon später.«
    »So sagt schon, was entnehmt Ihr dieser Schrift?«
    »Es handelt sich um eine besonders gelungene Beschreibung des Kosmos, der Sphärenkreise der großen Welt. Die Schrift beruft sich auf die Darstellung eines Welteis, was, so möchte ich behaupten, eine Nähe zu den orphischen Mythen verrät. Zumindest war die Verfasserin den neuen Geistesströmungen aus dem Orient aufgeschlossen, und es scheint mir unzweifelhaft, dass hier göttliche Visionen dem Denken der Zeit angepasst wurden.« Er deutete auf die kostbare Miniatur, deren leuchtende Farben den Raum zu durchdringen schienen. »Versenkt Euch in dieses herrliche Bild, von Künstlerhand geschaffen. Und Ihr seht unsere Welt, getragen von einer Sandkugel, umgeben und genährt durch das Feuer und die Winde, das Wasser gehalten zwischen den Häuten.«
    »Das alles ist mir bekannt«, warf der Geistliche ein. »Wie Ihr wisst, bin ich des Lesens und Schauens mächtig. Eure Aufgabe war es, mir die Bedeutung zu entschlüsseln.«
    »Ist sie nicht offenbar? Lest selbst: In eadem quoque pelle quidam tenebrosus ignis tanti horroris erat quod eum intueri non poteram. « Der Magister erhob die Hände. »›In der Haut aber befand sich ein düsteres Feuer, das so schrecklich war, dass ich es nicht anschauen konnte.‹ Sie spricht von dem Feuer der Hölle, das diejenigen quält, die außerhalb des wahren Glaubens leben.« Er wandte sich wieder dem Pergament zu. » Qui totam pellem illam sua fortitudine concutiebat, plenus sonituum, tempestatum et acutissimorum lapidum maiorum et minorum .« Seine Augen leuchteten. »Ich kenne es, ja, es entstammt aus der ersten Visionsschrift dieser Äbtissin. Es war eine Vision, doch nun erweist es sich als eine Prophezeiung! Dort steht es: Ille lucidus ignis et uenti et aercommouebantur … Sie weiß von den Winden und der Luft in Aufruhr, vom Hagel in großen und kleinen, sehr spitzen Steinen.«
    »Es ist eine Vision, die sie noch zu Lebzeiten verbreitet hat?« Die Enttäuschung stand dem Geistlichen ins Gesicht geschrieben.
    »Ja, und nun seht es Euch an und fürchtet Euch vor ihrer mächtigen Gabe.« Der Magister deutete aus dem Fenster. »Die Zeit der göttlichen Gerichtsuntersuchung ist gekommen. So sagt, seid Ihr reinen Gewissens?«
    »Ich entlohne Euch nicht, um mir vom göttlichen Gericht

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