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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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erklärt.«
    »Dann erschließt Euch den Rest!«
    »Soweit ich sagen kann, geht es um Gott und die Sterne. Seht, hier steht das Wort ›Aigonz‹ – Gott. Und das Wort da könnte ›Livionz‹ sein, der Heiland, gleichwohl es in der Schrift kein V gibt. Es ergibt jedoch einen Sinn, wenn ich es durch das U ersetze – Liuionz. Eben dieses gilt für das W das meines Erachtens aus zwei aufeinanderfolgenden U entsteht.« Der Magister seufzte wieder bedauernd. »Der größte Teil des Textes befindet sich auf dem fehlenden Fragment. Doch ich frage mich, ob wir mehr wissen, wenn wir es endlich in unseren Händen halten. Diese geheime Schrift birgt keine Vision, wie Euch versprochen wurde, sondern enthüllt nur ein weiteres Geheimnis.« Er lächelte. Es war offensichtlich, dass er Gefallen an diesem Rätsel fand. »Die Verschleierungaber ist eine Art Schilderung, bei der der Sinn der Wahrheit in eine eindrucksvolle Erzählung gehüllt wird. Man zieht Nutzen aus diesem Werk, wenn man es versteht. Doch wir sind noch weit davon entfernt.«
    »So hatte der Mönch recht!«
    »Ja, doch nun ist er tot.« Der Magister beugte sich vor. »Euer Folterknecht war zu ungestüm«, sagte er kopfschüttelnd. »Warum habt Ihr nicht gewartet, bis er das Geheimnis alleine entschlüsselt?«
    Der Geistliche hob abwehrend die Hände. »Die Marter war zu hart, das gebe ich zu, aber getötet hat ihn jemand anderes! Die Tat, so wurde mir berichtet, entsprang dem Quell des Zorns, einer heftig aufwallenden Stimmung. Ja, sie war unnütz, wir wären längst am Ziel. Aber noch ist nichts verloren.«
    »Das wage ich zu bezweifeln. Mir wurde zugetragen, dass sich auch Clemens von Hagen auf dem Weg zum Kloster befindet – mit einer Botschaft Eurer Kanzlei. Ein ausgesprochener Bewunderer der seligen Meisterin, so wie ich, wenngleich aus anderen Gründen. Ich kann nicht umhin zu glauben, dass er diesen Botengang nutzen wird, um uns in die Quere zu kommen.«
    »Eure Informanten sind langsam. Clemens von Hagen hat das Kloster bereits wieder verlassen.«
    »Verlassen? Was hat er vor?«
    »Seid unbesorgt. Clemens von Hagen mag ein kluger Mann sein, doch ist er zu vertrauensvoll. Er ist nicht imstande, den Freund vom Feind zu unterscheiden.«
    Der Magister wandte den Blick nach draußen, wo der Regen mit Urgewalten herabstürzte. »Und doch wäre mir wohler, wenn er zu den Unsrigen gehörte.«

12
    N un stürzte das Wasser wie aus Kübeln herab. War das der Moment, an dem die Himmelshäute rissen und sich der himmlische Ozean entleerte? Drohte eine neue Sintflut? Schon trat der Rhein über die Ufer, leckte mit seiner gierigen Zunge über die Äcker und überschwemmte die Straße.
    Die Endzeit stand unmittelbar bevor, doch es berührte ihn nicht. Wohlan, dachte Clemens, unser aller Schicksal ist besiegelt. Der Herr will unsere Sünden mit der Rute heimsuchen und unsere Missetaten mit Plagen.
    Die Nässe durchdrang rasch seine klamme Kleidung bis auf die Haut. Gleichmütig lenkte er sein Pferd über die überflutete Römerstraße, zurück in Richtung Mainz. Von dort aus würde er den Weg nach Eibingen nehmen, wenn das herabstürzende Wasser oder die höllischen Heerscharen ihn nicht aufhielten.
    Er hatte dem Sturm und den Häschern des Wanderpredigers getrotzt, war dem Schwert des Kreuzritters entkommen, hatte seinen verletzten und übermüdeten Körper Hagel und Schauer ausgesetzt und watete nun durch immer höher steigende Wasser – um mit der Nachricht zurückzukehren, dass die Eingeweide des Mönches Adalbert bereits auf dem Rupertsberger Friedhof ruhten.
    Clemens ließ das Gespräch mit Bruder Wenzel noch einmal an sich vorüberziehen. Er hatte zunächst nur erfahren, was er ohnehinzu Beginn der Reise gewusst hatte: Adalbert von Zwiefalten gehörte zu einem Kreis auserwählter Menschen, welche die vollständige Lingua Ignota beherrschten. Es galt ein Geheimnis zu wahren, und das war zweifellos die letzte Vision der Hildegard von Bingen, von der sein Großonkel Heinrich ihm berichtet hatte.
    Wibert von Gembloux war zu jener Zeit ebenfalls zu Gast im Kloster gewesen. Clemens konnte sich noch genau an das Gefühl der Befremdung erinnern, das er angesichts dessen übersteigerter und feuriger Verehrung für Hildegard empfunden hatte.
    Die unwillkürliche Ablehnung schien ihm derzeit berechtigt, denn als Wibert nach Heinrichs und dem Tod des Propstes Hugo von Bermersheim Hildegards letzter Sekretär geworden war, hatte er doch sogleich begonnen, die Werke der

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