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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Meisterin aufs Äußerste zu bearbeiten. Nun aber sah Clemens ein, dass Wibert von Gembloux es im Falle der Lingua Ignota auf Geheiß der Prophetin hin getan haben musste, die sich so der geheimen Verständigung versichern konnte.
    »Etwas Furchtbares wird geschehen, aber es scheint abwendbar …«, hatte sein Onkel gesagt.
    Hildegard jedenfalls war beunruhigt gewesen angesichts der Vision, die erst weit nach ihrem Tod Gehör finden durfte. So hatte sie Vorkehrungen getroffen. Adalbert war Teil dieser Vorkehrungen. Wer noch? Wibert von Gembloux?
    Jedes Jahr im September war Adalbert von Zwiefalten zum Rupertsberg gereist, doch dieses Mal war etwas anders gewesen.
    »Wenn die Zeichen der Endzeit nahen und der Papst zur Reise zum heiligen Grab aufruft, dann sei gewappnet und stelle dich in den Dienst Gottes und seiner Prophetin«, hatte Heinrich, sein Großonkel, Clemens beschworen, als sie an jenem Frühlingstag im Kreuzgarten saßen. »Denn der Teufel kommt, um die Christenheit zu verderben.«
    Hatte Adalbert während des Hildegardisfestes die letzte Vision der Meisterin erhalten? Hatte er die Vision verbreiten wollen?
    Undenkbar, eine Verkündung hätte von der Äbtissin des Rupertsberges erfolgen müssen, einer geweihten Nachfolgerin Hildegards, wenn die Vision Gehör finden sollte.
    Also hatte Adalbert einen Auftrag erhalten, den es vorab zu erfüllen galt. Doch er war aufgehalten und gefoltert worden. Und das würde auch erklären, warum Adalbert erst Wochen nach dem Hildegardisfest in Eibingen vorstellig wurde, ausgemergelt und nur noch ein Schatten seiner selbst. Warum er jedoch nach Eibingen gekommen war, konnte zweierlei Gründe haben: Entweder verbarg sich die Lösung des Rätsels im Kloster, oder Adalbert war dorthin geflohen, weil er sich Schutz vor seinen Häschern erhoffte.
    Was immer seine Peiniger ihm angetan hatten – es musste grauenvoll gewesen sein. Was waren das für Menschen, die es wagten, einem Sohn Gottes derart zuzusetzen?
    Clemens fröstelte. Das Gespräch mit Bruder Wenzel hatte eine unerwartete Wendung genommen. Adalbert war weder an den Folgen einer Krankheit noch durch Gift gestorben. Die Folter hatte seinen Körper gebrochen, aber sie hat ihn nicht getötet. Adalbert von Zwiefalten war erdrosselt worden.
    Clemens hielt in seinen Gedanken inne. Etwas verbarg sich hinter dieser Erkenntnis, das er langsam zu begreifen suchte. Hoc visibile imaginatum figurat illud invisibile verum cuius splendor penetrat mundum . Ja, aus diesem sichtbaren Bild enthüllte sich jene unsichtbare Wahrheit, die einzige, glänzende, gar himmlische Wahrheit. Noch war nicht alles verloren! Nach Adalberts Tod hatten die Vorfälle im Kloster Eibingen erst begonnen. Der Tod der Nonne, das Feuer in der Kirche, die Schändung der Reliquien. Was nichts anderes hieß, als dass Adalberts Mörder nicht erhaltenhatte, was er zu erhalten gehofft hatte. Clemens hatte geglaubt, es wäre ein Akt der Verwüstung, der Wunsch, mit den Taten auch das Andenken der Hildegard zu zerstören, denn der Brand hätte beinahe auch den Hildegardis-Altar im südlichen Seitenschiff vernichtet. Doch er hatte sich geirrt.
    Der Regen lief Clemens in die Augen und am Gesicht entlang in den Kragen.
    Hildegard war eine kluge, umsichtige Frau. Sie wird die letzte aller Visionen sicher verwahrt haben.
    Clemens erhob den Blick zum Himmel und blinzelte gegen die niederprasselnden Tropfen.
    »Der Herr gebe mir einen Fingerzeig und lasse nicht zu, dass ich mich umsonst abmühe«, flüsterte er, und noch im selben Atemzug wusste er, dass er nicht nach Eibingen zurückkehren durfte, ehe er nicht mit der Äbtissin vom Rupertsberg gesprochen hatte, der gewählten Nachfolgerin der Prophetin.
    Er musste herausfinden, was in den Tagen des Hildegardisfestes vor sich gegangen war. Und mit welchem Auftrag man Adalbert von dort aus gehen ließ.
    Entschlossen sah Clemens nach vorne. Die Wasser des Rheins stiegen unaufhaltsam. Er würde durch den Wald ausweichen müssen, den zu meiden er sich am Morgen noch geschworen hatte.
    Ein plötzlicher Schrei ließ ihn aufmerken. Clemens sah zum Rhein, dessen dunkle Wasser Erde, Geröll und Zweige mit sich rissen. In der Mitte des Flusses lag ein Prahm, das Heck gefüllt mit Kisten und Säcken, auf ihm zwei Männer, die wild gestikulierten. Durch den dichten Regenschleier konnte Clemens einen Mann erkennen, der in den Fluten zappelte und schrie, bis er mit angstgeweiteten Augen untertauchte. Die beiden Schiffer an Bord des

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