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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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zu erzählen«, knurrte der Prälat und erhob sich schwerfällig.
    »Ihr beschämt mich, ich tue es, wie Ihr wohl wisst, nicht für den irdischen Lohn, der allzu vergänglich ist, ich mache es aus Überzeugung und für den einen, wahren Herrscher.« Der Magister schüttelte verärgert den Kopf, doch dann kniff er die Augen blinzelnd zusammen und hob das Pergament. »Seht her! Wenn man das Pergament gegen das Licht hebt, erscheint eine Schrift.«
    »Das ist mir bekannt, doch erzählt mir mehr darüber. Ihr sagt, es sei eine Schrift. Seid Ihr Euch sicher, dass es sich nicht um Zeichen handelt?«
    »Es sind Buchstaben, soviel ist gewiss. Doch weder ist es Griechisch noch Hebräisch, Arabisch oder Assyrisch. Es handelt sich hier um eine Schrift, die Hildegard von Bingen erdacht und dem Riesencodex beigefügt hat.« Er lachte hochmütig. »Eine Botschaft auf der Vision einer Heiligen, gleich einer heiligen Sprache voller Verheißungen und verschwiegener Offenbarungen!«
    »Konntet Ihr die Botschaft entziffern?«
    »Ihr redet mit einem klugen Mann – und mit einem einflussreichen dazu, denn es gelang mir, Einblick in eine Abschrift des Codex der Äbtissin zu erhalten, die ein mir gut bekannter Propst aus Köln verwahrt.« Er strich sich lächelnd über das Kinn. »Doch zunächst erscheint es mir angemessen, Euch einen Exkurs über Buchstaben und Zahlen zu geben, denn selbst in der Bibel ist dasBuchstabensystem vom Zahlensystem nicht getrennt. Buchstaben dienen folglich zweierlei Dingen, sie können gleichzeitig Wörter bilden und Zahlen bedeuten, da jeder Buchstabe einem zahlenmäßigen Wert entspricht. Der hebräische wie auch der griechische Urtext der Bibel hat eine unermessliche Häufung der Siebenerzahlen, das beginnt bereits beim ersten Vers, der aus sieben Worten besteht, oder bei den Wörtern Gott, Himmel und Erde, die allesamt 777 ergeben. Ja, selbst die Geburt Christi im Matthäus-Evangelium hat 7 x 23 Wörter, der Zahlenwert der Wörter entspricht 7 x 13 342, die Zahl der Vokabularworte ist 77, die Liste ließe sich beliebig verlängern.« Der Magister hob den Finger bedeutungsschwer an den Mund und flüsterte vernehmlich: »Die Bibel ist ein mathematisches Wunderwerk!«
    »Ihr beginnt auszuschweifen.«
    »Mitnichten. Es gibt nichts Interessanteres. Ihr solltet wissen, dass auch bei Hildegard von Bingen jedes Wesen und Ding Namen und Zahl hat. So hat bei ihr das stadtartige Gebäude des Himmlischen Jerusalem eine Länge von hundert Ellen, eine Breite von fünfzig Ellen und eine Höhe von fünf Ellen. Doch die Länge besagt, dass die Zehntzahl durch den sündigen Menschen vermindert worden war und wiedergewonnen ist in Gottes Sohn, durch die in der Hundertzahl vervielfachte Zehnzahl zur Vermehrung der Tugenden für die Erlösung der Seelen. Aus der hundertfachen Zehnzahl stieg dann die in allen Tugenden vollendete Tausendzahl auf, damit die tausend Künste des Teufels vollkommen vernichtet würden, mit denen er die ganze Herde der geliebten Schafe des allmächtigen Gottes verführt. Die Breite jedoch zeigt die Breite der Laster der Menschen, die am Werk Gottes bauen sollten, jedoch mehr ihren Begierden folgten, statt für das Werk Gottes Sorge zu tragen, durch die fünf fließenden Wunden seines Sohnes, die er am Kreuze erlitt …«
    »Schluss jetzt! Ich will Tatsachen, keine neuen Rätsel!«
    Der Magister verzog den Mund und seufzte. »Gut, ich will Euch nicht langweilen. Nachdem ich also Einsicht in die Schriften erhalten hatte, erschloss sich mir das System. Nun, ich gebe zu, es war nicht einfach. Mich verwirrte die Häufigkeit des Buchstabens Z. Ich hatte ihn zunächst fälschlicherweise den Vokalen zugeordnet. Doch dann bemerkte ich, dass auch die Worte der Lingua Ignota häufig mit diesem Buchstaben enden. Eine großartige Entdeckung. Denn die Äbtissin pflegte mit der von ihr entwickelten Schrift lediglich lateinische Worte zu verschlüsseln und schrieb die Lingua Ignota hingegen nur mit arabischen Buchstaben. Zusammen aber sind sie meines Wissens noch niemals verwendet worden. Keine der mir vorliegenden Handschriften zeigt die Worte der unbekannten Sprache in dieser Schrift!«
    Der Geistliche konnte seine Erregung nicht verbergen. »Spannt mich nicht länger auf die Folter – was steht da geschrieben?«
    »Nun, es gibt ein Problem. Der Codex enthält nur eine Liste mit Substantiven, harmlos und vornehmlich über Lebewesen, Pflanzen und Gegenstände des Klosteralltags, was nur einen Teil des Textes

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