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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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sank aber sofort zu Boden und kroch auf Knien über den steinernen Boden zum Feuer. Endlich fühlte sie, wie mit der Wärme auch ihre Lebensgeister erwachten. Hatte sie ihr eigenes Leben noch in der Krypta als unwürdig erachtet, so beschlich sie hier, gerettet vor dem sicheren Tod, ein Gefühl, als müsse sie es festhalten. Was war schon ein misslauniger Bruder in einer Burg voller Pelze, Federkissen und schöner Kleidung, der von der Jagd das Wild heimbrachte, das vom Koch gebraten und von Dienern aufgetragen wurde? Was waren schon ein paar Monate des unterwürfigen Ertragens gegendiese aberwitzige Demut in dem kalten, modrigen Kloster, wo man sich seines Lebens nicht sicher sein konnte?
    Was sollte sie hier schon ausrichten können, wenn sie nicht einmal ihr eigenes Leben zu schützen vermochte?
    Nein, Clemens von Hagen hatte ihr Können überschätzt. Nun war er unterwegs, und nur Gott wusste, wann er wieder zurückkehrte. Doch was hatte sie ihm schon zu berichten?
    In ihrem Inneren tobte ein Kampf. Sie hatte dieser Aufgabe zugestimmt, weil sie das Zusammentreffen mit Magnus hatte hinauszögern wollen, nicht aber aus einer hehren Absicht heraus. Die Heuchelei aber ist eine Schwester der Lüge, nichts ist verabscheuungswürdiger.
    » Pro salute vel commodo alicuius «, hatte der Kanonikus gesagt, »es ist eine Lüge zum Nutzen des Wortes Gottes!« Konnte man zwischen der verbrecherischen Lüge und der nützlichen Lüge unterscheiden? Hatte nicht auch Jakob sich vor seinem Vater als Esau ausgegeben – sind nicht selbst Propheten Lügner?
    Clemens von Hagen hatte es sich zu leichtgemacht, als er ihr weismachen wollte, dass die Lüge zum Nutzen der seligen Hildegard geheiligt sei, damit tat er es den Scholastikern mit ihrem neuartigen Gedankengut gleich. Doch jede Lüge ist schädlich, weil sie Sünde ist. Der Mensch lügt, weil er Gott nicht vertraut.
    Elysa starrte in die prasselnden Flammen des Ofens und fasste einen Entschluss. »Ich werde fortgehen«, flüsterte sie, kaum, dass Margarete die Stube betreten hatte. »Doch ich tue es mit schwerem Herzen, denn ich lasse dich nur ungern zurück.«
    Die Nonne nickte ohne Anzeichen von Überraschung, während sie Elysa half, das viel zu große Gewand der Benediktinerinnen überzustreifen. »Es ist besser so«, sagte sie. »Flieh vor dem Unheil, solange es dir möglich ist.«
    »Fliehen?« Jutta trat neugierig heran.
    »Elysa wird das Kloster verlassen.« Margaretes Stimme zitterte.
    »Es ist das einzig Richtige«, erwiderte Jutta. »Auch ich würde gehen, wenn der Eid, den ich hier schwor, mich nicht bände.«
    Elysa schwieg. Sollte sie sich den Schwestern offenbaren? Jemand musste dem Kanonikus berichten, wenn er zurückkam. Und wem sollte sie sich erklären, wenn nicht Margarete.
    »Ich …« Sie zögerte. War es richtig, in Juttas Gegenwart ihr wahres Ansinnen zu verraten? Schweiß trat auf ihre Stirn. »Ich werde mich auch in keinem anderen Kloster melden«, sagte sie kraftlos.
    Margarete sah erstaunt auf. »Warum? Es gibt eine große Zahl guter Klöster, die auch Frauen der unteren Stände aufnehmen. Die Benediktinerinnenabtei St. Marien in Andernach wird dir gewiss eine gute Heimat sein, wenngleich sie zuweilen überfüllt ist und keine Neuzugänge aufnimmt. Sie bietet eine gute Ausbildung, ihr Ruf reicht bis weit über die Landesgrenzen hinaus.«
    »Ich werde mich auch dort nicht melden, weil ich …« Elysa wischte den Schweiß von der Stirn. »Ich hatte niemals vor, mich in einem Kloster zu melden.«
    Margarete sah sie ungläubig an.
    »Wie viele Lügen verzeiht Gott?« Elysa seufzte. »Ich bin keine Handwerkstochter. Ich bin Elysa von Bergheim, adeligen Geschlechts, auf der Durchreise zurück zur Familienburg, wo mein Bruder Magnus auf mich wartet.«
    »Du bist …« Jutta starrte sie mit offenem Mund an.
    »Aber warum?«
    »Clemens von Hagen war dazu abgestellt, mich von Mainz aus nach Bergheim zu begleiten«, begann Elysa, zunächst zögernd. »Erst auf der Reise erfuhr ich, dass er einen Brief vom Erzbischof bei sich trug, den er nach Eibingen zu bringen versprochen hatte. Kurz vor der Ankunft weihte er mich in die Nöte der Priorin ein und bat mich, ihm bei der Aufklärung zu helfen – als Anwärterin und auch nur bis zum fünften Tag. Ich … ich habe zugestimmt,aus Stolz, aber auch aus Furcht vor dem, was vor mir liegt. Doch nun sehe ich ein, dass es sinnlos war. Was hätte ich hier schon ausrichten können?«
    »Hochmut ist der Keim allen Übels«,

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