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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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musterte Ida, die alle Anklagen aufrecht über sich ergehen ließ. Agnes hingegen saß gebückt und mit gerunzelter Stirn, den Mund fest aufeinandergepresst, und beobachtete das Geschehen in der gespannten Haltung einer Raubkatze, die sich noch nicht entschließen konnte, sich auf ihr Opfer zu stürzen und es mit Haut und Haaren zu verschlingen.
    Radulf von Braunshorn hingegen lächelte. Sein Lächeln wurde zur Fratze, als sich nun auch Gudrun zu Wort meldete.
    »Ida ist im Bund mit dem Teufel. In jener Nacht, als das Feuer unsere Klosterkirche ergriff, hat sie es kraft ihrer Hände verstummen lassen.«
    Entsetzen zeichnete sich auf Idas Antlitz. Erregt sprang sie auf und sah mit leeren Augen in Richtung Radulf. »Das ist nicht wahr! Ich erhob meine Hände zum Gebet!«
    »Du hast das Feuer beschworen!«, rief Gudrun.
    »Es war der Herr, der mich erhörte.«
    »Doch wie konnte das Feuer ausgehen ohne Wasser – das ist Teufelswerk!«
    »Es war wohl der Wind, der die Flammen ausblies«, rief Ida sichtlich verstört und mit hoher brüchiger Stimme, wie Margarete sie noch nie bei ihr vernommen hatte.
    »Ja«, rief eine der Nonnen, »das habe ich auch gespürt, doch es war nicht der Wind, es waren Luftgeister, die dir zur Hilfe kamen!«
    Alle redeten durcheinander, manche der Schwestern zeigten geifernd auf die blinde Nonne. Es war, als entlud sich aller Unmut, der sich in den Jahren von Idas strengem Regiment aufgestaut hatte. Niemand aber sah die Schamesröte, die nun Agnes’ Gesicht zierte, nur Margarete.
    »Ruhe!« Die Worte des Exorzisten hallten laut durch den Kapitelsaal. Augenblicklich waren die Schwestern still. Auf seinem Gesicht breitete sich ein unheilvolles Lächeln aus.
    »So sprich, Ida, ich werde deine Bußfertigkeit mit väterlichem Wohlwollen prüfen und die Geißel nicht zu hart auf deinen Leib fahren lassen, denn ich bin überzeugt, du hast im guten Glauben gehandelt. Was geschah in jener Nacht?«
    Ida stolperte nach vorne und fiel vor dem Exorzisten auf die Knie. »Es ist, wie ich sagte. Ich spürte das Feuer, es war heiß und voller Kraft. Ich flehte zum Herrn und zur seligen Hildegard, die das Kloster aus der Asche der Verwüstung neu für uns errichtet hatte. Der Herr war es, der mir zur Hilfe kam, der Herr und seine Prophetin, ich schwöre es, bei Gott, dem Allmächtigen Vater, der Jungfrau Maria und allen Heiligen!«
    Noch immer lächelte Radulf, er schien seinen Triumph über die aufsässige, nun vor ihm niedergeworfene Nonne weidlich auszukosten. Hinter dem Lächeln aber erkannte Margarete voller Entsetzen eine unverhohlene, grausame Gier nach Blut.
    »Wir werden prüfen, ob Schwester Ida die Wahrheit spricht«, sagte er abschätzig. »Der Herr erhelle das Gerechte. Morgen früh werden wir ihn um ein Urteil ersuchen, um seinen Ratschluss zu hören.«
    Der Exorzist hatte den Hagel zu vertreiben vermocht, doch noch immer regnete es.
    Margarete stand mit schwachen Beinen vor der Fensteröffnung der Krankenstube und blickte hinaus. Riesige Pfützen sammelten sich auf dem gefrorenen Boden. Eine Schwester lief mit gerafftem Habit barfuß über den Hof.
    Der Himmel war dunkel, fast wie die Nacht, und doch war es erst früher Abend. Jutta hatte zwei Laternen entzündet, im Ofen flackerte ein Feuer.
    Elysa hatte zu fabulieren begonnen, was Jutta zu der Zuversicht verleitete, sie würde wieder zu Kräften kommen. Während der Non hatten die Benediktinerinnen in der Kirche für Elysas Seelenheil gebetet und auch für ihr eigenes, denn der Schrecken war groß und verbreitete eine düstere Stimmung. Die Kirche war beinahe überschwemmt. Wenn es weiter so regnete, würde eine Messe zur Vesper unmöglich sein. Nach der Non waren sie in die Krypta hinabgestiegen und hatten das dort abgestellte Altarbild geholt, das zum Entsetzen aller nass geworden war, sowie den hölzernen, vom Wasser gequollenen Reliquienschrein. Vorübergehend fanden diese Kostbarkeiten auf dem Boden des Glockenturmes Platz.
    Margarete dachte an Ida und an die Bedrängnis, in die sie gekommen war. Manche Schwester hatte im Kapitelsaal beifällig gelacht, doch Margarete war nicht wohl gewesen.
    Jutta trat an ihre Seite. »Du denkst an Ida.«
    Margarete nickte. »Wir alle wissen, dass Schwester Ida nicht mit dem Teufel im Bunde steht. Gewiss, in der Ausübung ihrer Aufsicht ist sie übereifrig. Auch ich habe häufig vor ihrem gestrengen Auge gezittert. Doch dienen der Erhalt von Zucht und Ordnung der Regel – wie kann man Ida nur der

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