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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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des Herrn ihn vor allem Volke schlagen, weil er verdient, zuschanden zu werden«, flüsterte Ida leise und gedachte der Worte, die Hildegard ihren Nonnen ehedem hatte zukommen lassen, als sie von der Zeit nach ihrem Tode schrieb.
    Noch einmal erhob Ida den leeren Blick zum Bildnis des heiligen Rupertus. Wie gerne hätte sie nun vor dem Angesicht der seligen Hildegard gekniet, vor dem Bild, das nun, vom Wasser verschandelt, oben auf dem Glockenturm stand, fern jeder Tröstung.
    Endlich stand Ida auf, zermürbt von schweren Gedanken. Sie würde nun ins Dormitorium zurückkehren und sich zur frühen Nachtruhe legen, das erste Mal seit Jahren.
    Ein leiser Ton drang an ihre Ohren und ließ sie innehalten.
    Sie lauschte.
    Das klangvolle Plätschern unzähliger Tropfen, die vom zerstörten Dach zu Boden stürzten und sich mit abertausend gefallenen Tropfen mischten, hallte durch den Kirchensaal.
    Nein, sie musste sich geirrt haben. Da war kein anderes Geräusch gewesen.
    Doch, jetzt war der Ton wieder zu hören. Er kam aus Richtung der Krypta. Leise schritt sie mit ihrem Stab zum nördlichen Querschiff, mit zur Witterung erhobenem Kopf. Es war Gesang,eine Frauenstimme! Doch er kam nicht aus der Krypta, sondern aus dem Trakt nördlich der Kirche.
    Dieser Bereich war den Männern vorbehalten. Wer würde es wagen, das Verbot zu übertreten? War es eine der Laienschwestern oder eine unzüchtige Nonne? Oder hatten die Männer sich gar eine Hure kommen lassen, um ihrer Wollust nachzugeben, der sie beim Eintritt hatten abschwören müssen?

    Venus facht zur Stund
    Flammen also heiße
    dass ich liebeswund
    ird’schem Trank und Speise
    muss entsagen und
    in der Engel Bund
    nur mit Nektar leise
    kühle meinen Mund.
    Ida presste das Ohr an das nördliche Portal. Die Tür gab sachte nach und öffnete sich einen Spalt. Erschrocken fuhr sie zurück, näherte sich jedoch gleich wieder und lauschte dem gottlosen Gesang. Er war ganz nahe, nur wenige Schritte von ihr entfernt.
    Eine grauenvolle Erkenntnis durchfuhr sie. Diese Stimme war ihr bekannt. Aus dem Mund dieser Jungfrau erklangen bei Tag die schönsten Lieder in vollem, harmonischem Klang! So hatte sie recht, die Lasterhaften begannen mit ihrem Werk, der Verfall der Sitten hatte bereits begonnen.
    Nun wandte sich der Gesang in ein leises Stöhnen. Zarte Worte mischten sich mit dem Prasseln des nachlassenden Regens. Ein Mann begann zu flüstern.
    Ida fuhr auf. Sie musste es verhindern! Die Fleischeslust drückte die zarteste Blume unter den Jungfrauen zu den Sünden irdischer Begierlichkeit nieder. Oh, verirrte Seele, übe dich in Zerknirschung, beklage dein Elend und lasse ab!
    Doch Ida vermochte sich nicht zu rühren. Es war Anna gewesen, die Oblatin, die sich als Erste im Kapitelsaal erhob, um sie zu richten, und es war Anna, die sich in diesem Moment auf der anderen Seite der Mauer der Blüte der Unversehrtheit berauben ließ.
    Groll stieg in Ida auf. Eine Jungfrau, in Christi Brautgemach herrlich geschmückt, süßer als aller Wohlgeruch duftender Blumen, nun in schändlicher Lust verdorben, log, als sie ihr Gelübde, keusch zu leben, nicht einlöste. Und damit nicht genug: Sie verriet auch die Beständigkeit der Tugend, als sie sich gegen Ida erhob und den ersten Stein warf!
    Ein klares Lachen erscholl, lockend. Auch der Mann lachte, doch das Lachen wurde schwer, mischte sich mit leisem Schmatzen.
    »Nicht doch«, rief Anna auf, aber das schmatzende Geräusch verklang nicht. »Nein, so warte.« Der Protest in der Stimme der Oblatin war wie ein Jubeln, wie ein Fordern nach mehr. Dann folgte ein Stöhnen.
    Ida schrak auf, klopfte in ihrer Unbeholfenheit mit dem Stab gegen die Mauer. Nun stöhnte auch der Mann. Erst verhalten, dann grunzte er wie ein Tier, rhythmisch, ohne Unterlass, so dass Ida den Stab fallen ließ und sich die Hände an die Ohren presste. Das Grunzen erhob sich im Gleichklang juchzender Schreie. Der Geruch der Schändlichkeit, der Atem von etwas nie zuvor Gerochenem drang durch den Spalt in der Tür.
    Die Wollust riecht nach giftigem Schleim, gleich Schwefel, dachte Ida, sie will den Menschen, das Spiegelbild Gottes, in den Schmutz ziehen, kennt nicht die Scham und kann, verführt von bösen Geistern, von der Gier des Fleisches nicht lassen.
    Nun klomm das Stöhnen hinauf, wurde lauter und schneller, verhallte in Idas Ohr. Hastig ergriff sie ihren Stab, floh, durch die Pfützen stolpernd, zur Kirche hinaus, den Kreuzgang entlang, bis sie keuchend vor dem

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