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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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lange Geschichte. Dazu müßten Sie wiederkommen. Aber es ist ganz sicher nicht dieses Bild, das man Ihnen angeboten hat. Auch wenn ich nicht mag, was da hängt, heißt das nicht, daß ich alles einfach losschlagen werde. Das würde vielleicht einen Stein ins Rollen bringen.«
    David wußte also um das Risiko der Schattengestalten. Er kannte das verminte Gebiet. Die Größe des Terrains war überwältigend. Selbst wenn man eine Cartier-Uhr von 1890 in Shanghai entdeckte, konnte man davon ausgehen, daß sie Schmauchspuren aufwies. Manche verstauen den geerbten Schmuck der Großmutter lieber im Bankfach und denken erst gar nicht darüber nach, was sich in den Steinen der Ringe und Kolliers oder im Lüster der Perlen gespiegelt haben mag. Viele wollen sich nicht mit dem belasten, was man harmlos ›Herkunft nennt. Perlensamt lebte einen Konflikt. Loyalität und Zerrissenheit. Ich verstand seine Andeutung, daß die Kunst das letzte war, was eine Familie noch zusammenhielt.
    »Denken Sie daran, die Sammlung – später einmal – abzugeben? Oder Teile davon? Um sich zu befreien von diesem Druck?«
    »Ich sagte Ihnen doch, wir haben Revision beantragt. Wenn mein Vater freigesprochen wird, kehrt er nach Hause zurück. Zu seiner Sammlung.« Dann lächelte er unvermittelt schelmisch. »Fragen Sie als – Auktionator?«
    »Ich bin kein Auktionator, Herr Perlensamt. Ich arbeite als Juwelenexperte bei NOBBLE NYC . Aber in diesem Fall frage ich rein privat. Ich habe einmal für kurze Zeit Provenienzforschung betrieben und mit den Erben großer Sammlungen zu tun gehabt. Da beginnt man automatisch, sich für die Menschen zu interessieren. Für sie und ihre Haltung den Objekten gegenüber, die sie geerbt haben. Diese Feldforschung ist eine deformation professionelle. Verzeihen Sie meine Neugier.«
    Ich ließ den Lift unbenutzt und ging die pompöse Marmortreppe über den roten Läufer hinab. Einem Impuls folgend drehte ich mich nach ein paar Stufen um. In diesem Haus war ein Mord passiert. Ein Mann hatte seine Frau erschossen. Niemand kannte das Motiv. Darüber hatte Perlensamt kein Wort verloren. Unten am Treppenabsatz sah ich noch einmal hinauf. Die Tür war geschlossen. Wieso auch nicht?

SECHS
    In den Tagen nach meinem Besuch bei Perlensamt sah ich Mona zufolge aus wie ein ständig schnüffelnder Hund, der einen Knochen vergraben hat und sich an den Ort nicht mehr erinnern kann. Aber nicht der Courbet ging mir durch den Kopf. Ich dachte an David. An die Perlensamts. An den Mord. An den Unfall seiner Großeltern. Ich fragte mich, wo sie umgekommen waren. Wo Vater und Tante aufgewachsen waren. Wo in dieser Zeit die bemerkenswerte Sammlung lagerte. Unmittelbar nachdem ich Perlensamts Wohnung verlassen hatte, rief ich Mona an. Mir war, als bräuchte ich Beistand.
    »Wo bist du?«
    »Fasanen/Ecke Kant. Ich war im Haus der Perlensamts. Irgend etwas stimmt da nicht.«
    »Das hatten wir schon. Was gehen uns Mordgeschichten an?«
    »Bei Perlensamts hängt ein Courbet, der so aussieht wie der, der uns angeboten wurde.«
    »Was soll das denn wieder heißen? Ist er es, oder ist er es nicht?«
    »Das kann ich so nicht sagen. Aber die Familie hat irgend etwas mit dem Paris der Besatzungsjahre zu tun.«
    »Nein! Nicht dieses Thema. Bitte nicht schon wieder. Mein Anrufbeantworter ist kaputt, meine Mailadresse funktioniert nicht mehr, und man hat mir letzte Woche mein Mobile gestohlen. Ich bin unerreichbar.«
    »Auf einmal? Ich dachte, das sei dein Spezialgebiet.«
    »Ich bin Provenienzforscherin und keine Rächerin der Entehrten.«
    »Provenienzforscher sind die Rächer der Entehrten, die letzten, die es noch gibt. Das waren deine Worte. Letzte Woche noch. Bis morgen!«
    Perlensamts Großvater war für die Regierung tätig gewesen. Hatte die Sammlung damit zu tun? Vor der Besatzungszeit waren die Pariser Kunstgeschäfte in der Rue de la Boétie getätigt worden, einer Straße im 8. Arrondissement. Heute ist in dem Viertel, in dem auch Picasso einige Zeit lebte, nichts mehr übrig von der einst so inspirierenden Atmosphäre. Damals waren einige Palais der Sammler, über die ich geschrieben hatte, noch in Privatbesitz, zum Beispiel das der Camondos. Die meisten dieser ehrwürdigen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert standen im Viertel Monceau. Heute hängen viele Werke aus diesen Beständen im Musée d’Orsay – soweit die Palais nicht selber zu Museen geworden sind. Aber es war nur schwer nachzuvollziehen, welche Gemälde von den Deutschen

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