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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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Verzweiflung und Haß kommt die Erfahrung, daß man auch ohne Gemeinschaft überleben kann. Außenseiter entwickeln einen neuen, eigenen Maßstab. Sie haben nichts zu verlieren. Ich habe mich oft gefragt, was meinen Großvater an diesem Maler fasziniert hat.«
    Er ließ sich erschöpft zurück in den Sessel gleiten.
    »Ich glaube, ich lasse Sie jetzt besser allein.«
    Ich machte Anstalten aufzustehen. Perlensamt hielt mich zurück.
    »Haben Sie sich jemals gefragt, was Sammeln eigentlich ist? Was dieser Leidenschaft, etwas in seinen Besitz zu bringen, zugrunde liegt? Grenzenloses Begehren, unstillbares Verlangen nach einem Objekt! Verstehen Sie das? Ich nicht. Ich finde das absurd. Man sollte den Menschen seine Aufmerksamkeit widmen, nicht toten Gegenständen.«
    Natürlich hatte ich mir diese Frage gestellt. Sammeln schien mir eine fröhliche Obsession zu sein. Viele der Sammler im 19. Jahrhundert waren männliche Juden mittleren Alters gewesen. Sie hatten ein beträchtliches Vermögen auf die Beine gestellt, häufig als private Bankiers. Dann hatten sie sich ein repräsentatives Umfeld verschafft. Bürgersinn, Selbstdarstellung, Bildungswillen. Kein unstillbares Verlangen oder grenzenloses Begehren, keine Gier und kein Wahn. Manche hatten die Künstler gekannt, deren Werke sie kauften. Bei meinen späteren Provenienzrecherchen stellte ich fest, daß es in Frankreich eine Reihe durchaus konservativer, schwerreicher Bürger gegeben hatte, die nicht konservativ gesammelt hatten. Einige gaben sogar der Avantgarde den Vorzug. Meistens aber mischte sich Gegenständliches mit Abstraktem. Nein, die Abgründe der Sammlerleidenschaft hatte ich nicht entdeckt. Mich hatte in erster Linie die Zusammenstellung der Bilder interessiert.
    »Beim Sammeln ist ein Sammler für sich. Kein anderer Mensch, der zwischen ihm und seinem Begehren steht. Sein Verlangen kann er sich selbst erfüllen. Kein Gegenüber, das sich widersetzt.«
    Wovon versuchte mich David Perlensamt zu überzeugen? Warum ließ er diese Sammlung nicht einfach meistbietend versteigern, wenn sie ihm so unheimlich war? Aber mir war, als spräche Perlensamt gar nicht von Kunst, sondern von sich.
    »Niemanden für sich einnehmen zu wollen muß furchtbar sein oder das größte Glück«, flüsterte er kaum noch hörbar. »Das Wesen der Unabhängigkeit. Sammeln Sie?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann es mir nicht leisten. Jedenfalls nicht die Objekte, die ich gern hätte.«
    Ich sprach betont laut und deutlich. Am liebsten hätte ich ein Fenster geöffnet und Straßenlärm hineingelassen oder die Frau gerufen, die die Medizin gebracht hatte, damit sie die Teppiche saugte. »Vielleicht arbeite ich deswegen in der Firma. Ich habe, ehrlich gesagt, nie darüber nachgedacht.« Ich sah auf die Uhr. »Es ist schon spät. Ich muß noch einen Kollegen erreichen.« Ich stand auf und bedankte mich. »Es war ein interessantes Gespräch.«
    Bildete ich mir das ein oder lag Enttäuschung auf Davids Gesicht? Perlensamt stand auf und verschwand. Als er mit meinem Mantel zurückkam, hatte er sich wieder gefangen.
    »Was werden Sie jetzt tun?« Ich hatte auf einmal ein schlechtes Gewissen, ihn allein zu lassen. Aber David faßte die Frage ganz anders auf.
    »Arbeiten und auf die Revision der Verhandlung warten.«
    »Sie haben Revision beantragt?«
    Er nickte. »Gegen den Willen meines Vaters. Er sagt, er fühle sich schuldig und wolle bleiben, wo er ist. Ich sehe das anders.«
    »Wir haben viel zu wenig von Ihnen gesprochen. Wie unhöflich von mir, Sie nicht einmal nach Ihrem Beruf zu fragen.«
    »Ich sagte Ihnen doch, daß ich Schauspieler bin.«
    »Bühne? Film? Fernsehen? Kenne ich daher Ihr Gesicht!?«
    »Kaum. Die Zeiten sind schlecht für Engagements, zumal in dieser Stadt. Man schlägt sich so durch.«
    Er sah nach allem aus, nur nicht danach, daß er sich so durchschlagen mußte. An der Tür reichte er mir die Hand. Er hielt sie fest. Ich mußte mich regelrecht aus diesem Griff lösen, der warm und trocken war.
    »Wenn Sie wieder einmal in der Gegend sind, besuchen Sie mich unbedingt. Dann sprechen wir weiter – und nicht nur über Paris.«
    »Wir werden sehen. Die Stadt ist immer ein Thema. Allerdings bin ich von der Kunst beeindruckt, die Sie nicht mögen.«
    Es kam keine Reaktion.
    »Ach bitte, eine Frage noch. Wissen Sie, von wem Ihr Großvater den Courbet gekauft hat? Uns ist nämlich ein ähnliches Bild gerade angeboten worden. Über einen Agenten.«
    »Ach, das ist eine

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