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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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wir das ideale Paar, Reste von Raubkunst in öffentlichen wie in privaten Sammlungen aufzustöbern und bekannt zu machen, wo die einzelnen Stücke hingekommen waren, wem sie gehört hatten und eigentlich immer noch gehörten.
    »Stell dir vor, wir heben sie alle aus. Guten Abend, Frau von Blabla, herzlichen Dank für Ihre Einladung. Aber ja, gerne führe ich Ihre Nichte zu Tisch. Sie sammeln auch? Ach, Sie haben die Sammlung von Ihrem Onkel geerbt? Aufgebaut in den dreißiger Jahren? Sogar Picasso? Braque? Ist ja interessant. Galt damals doch als entartet. Ihr Großvater war ein Widerstandskämpfer in Sachen Kunst? Das ist ja bemerkenswert. Was es damals alles gab! Man weiß einfach immer noch zu wenig, nicht wahr?«
    Nach einer Atempause leuchteten seine dunklen Augen erregt. Leiser fügte er hinzu: »Rache nehmen. Wo sich die Täter selbst entziehen, muß man ausweichen auf die Nachkommen.«
    Rache? Einen Augenblick lang war ich sprachlos. So einfach sollte die emotionale Genugtuung sein? Da klingelte mein Mobile.
    »Ich habe mich gefragt, ob du nicht doch Hunger hast? Wir könnten auch ein paar Schritte spazieren gehen. Einfach an die Luft und dann einen Cocktail trinken.«
    Mona. Auf einmal rief sie mich abends an. Privat. Das hatte sie vorher nie gemacht.
    »Es geht nicht. Ich habe keine Zeit. Ich muß noch …«
    »Jetzt? Um diese Zeit muß doch niemand mehr irgend etwas.«
    Eine Frau, die sich aufdrängt. Wie ich das verabscheue. Während ich versuchte, Mona loszuwerden, war David verstummt. Er sah mich grinsend an. Ein Verbündeter. Als wüßte er, daß sie es war. Als ich aufgelegt hatte, gab er mir einen Klaps auf die Schulter.
    »Los, laß uns essen gehen. Wir nehmen meinen Wagen und fahren raus an den Schlachtensee. Genau richtig für diesen Abend.«
    Wir saßen in Davids Cabrio und ließen uns den Sommerwind durch die Haare wehen. Ich sah ihn von der Seite an. David drehte sich kurz zu mir und lächelte. Dann blickte er wieder auf die Straße.
    Die Begutachtung des Courbet – und damit auch die Recherche – hatte ich erwartungsgemäß bereits einen Tag nach dem Tausch mit Mona abgeschlossen. Sie führte mich zu einem der neuen Berliner Häuserkomplexe, die alle ein bißchen neureich und ein bißchen geschmacklos wirken. Ich stand in einer Vorhalle aus schwarzem Granit. Über mir baumelte ein mittelalterlich anmutender Lüster, wie ich ihn aus den großen Verwaltungsgebäuden Downtown Manhattan kannte – nur waren die um 1930 erbaut. Damals fand man den düsteren Pomp in New York elegant, heute gilt das offenbar für Berlin. Merkwürdig, diese Zeitschleife aus Kitsch.
    »Herr von Arnold de la Pierre erwartet Sie.«
    Der Portier in dezenter Uniform – in Berlin eine neue Erscheinung – wies auf die Aufzüge im Fond. Offenbar hatte man ihm eingebleut, daß es zu seinem Job gehörte, stolz auf seinen Job zu sein: Blasierter als er konnte keiner wirken. Der Aufzug hielt im sechsten Stock. Ich hatte mir noch nicht überlegen können, wie ich den langen Gang und seine Dekoration empfand, da trat mir im mattschimmernden Licht ein junger Mann entgegen. Weißes Hemd, sehr tief aufgeknöpft, enge Jeans ohne Gürtel, von den Hüftknochen gehalten. Die Farbe seiner Augen irisierte trotz des dämmrigen Lichts wie die in der Sonne glänzenden Schuppen eines Fisches.
    »Herr Dr. Saunders? Bitte kommen Sie mit mir.«
    Ich wurde zu einer offenstehenden Etagentür geführt. Einen Augenblick lang zuckte ich vor dem gleißenden Licht zurück. »Herr von Arnold wird sofort bei Ihnen sein.«
    Der Junge ging. Seine Bewegungen waren konzentriert und selbstvergessen, wie man sie nur bei Menschen findet, die nicht um ihre Ausstrahlung wissen. Ich sah ihm noch nach, als die Tür, die ihn geschluckt hatte, längst geschlossen war. Für eine Weile stand ich wie angenagelt dort, als hätte ich eine Erscheinung gehabt. Meine Hände wurden feucht. Verstohlen wischte ich sie an der Hose ab. Dann wandte ich mich um. Statt des düsteren Marmors ging man hier über glatt poliertes Intarsienparkett. Der lichtdurchflutete Raum endete in fünf Metern Höhe in einer umlaufenden Galerie. In einer Ecke war eine Wendeltreppe. Oben sah ich Vitrinen mit ein paar Büchern. Kein Bild, keine bemerkenswerte Lampe, kein einziger Kunstgegenstand. Auch die untere Ebene war nur spärlich möbliert. Zwei Sessel, eine leere Staffelei, sonst nichts. Zur linken Seite öffnete sich eine Fensterfront zu einer Terrasse, darauf geschnittene Buchse

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