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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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den Treffen mit David erzählt. Sie hatte mich nicht auf dem Laufenden gehalten, was die Recherche zum Courbet betraf, aber ich nahm an, daß sie längst damit fertig sei. Nun stellte sich heraus, daß sie alles verschleppt hatte.
    »Ich habe Antwort von CP, du weißt – der Kurator aus New York.«
    »Du bist immer noch mit dem Courbet beschäftigt? Warst du denn jetzt endlich bei dem Kunden?«
    »CP bestätigt, was ich im Werkverzeichnis der letzten Courbet-Ausstellung gefunden hatte.«
    Laut CP gab es sieben Versionen des Bildes. Alle firmierten unter beiden Titeln La Vague und La Mer orageuse. Ein Bild hing in Paris in der ständigen Ausstellung am Quai d’Orsay, zwei lagerten dort im Magazin. Eines mit leicht geändertem Ausschnitt in anderer Größe gehörte dem Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt am Main (ohne Angabe von Herkunft und Ankaufsdatum). Ein fünftes war in einer Privatsammlung in Chicago verzeichnet, ein weiteres in Zürich. Beide Eigentümer wollten namentlich nicht genannt werden. Schließlich hatte eine Version des Bildes zu einer Kollektion gehört, die sich ursprünglich in Paris befunden hatte und sich nach dem Zweiten Weltkrieg in alle Winde zerstreute. Diese Version der Welle war nie wieder aufgetaucht.
    »Aber wieso sollte unser Bild vom Meer aus dieser Sammlung sein? Wer sagt dir, daß es nicht noch weitere Versionen gibt?«
    »Niemand. Das ist es ja. Das, was wir hier machen, ist ein Ausschlußverfahren. Mehr nicht.«
    Sie hatte unser gesagt, als wäre der Courbet unsere gemeinsame Sache. Auf den ersten Eindruck hätte man meinen können, sie spräche von ihrer Familie. Von Henriette wußte ich, daß Mona ihre Familie über alles liebte. Sie kümmerte sich um die Ausbildung ihrer fünf jüngeren Geschwister und schickte immer wieder Geld nach Hause. Mona gab sich manchmal kapriziös, aber das war nur Theater. Tatsächlich kannte sie weder Berührungsangst, noch nahm sie sich wichtig. Sie war weit entfernt von jenen Frauen, die sich als Prinzessinnen gerieren. Ihre kleinen frivolen Gesten dienten, glaube ich, nur der Ablenkung von ihrer tiefen Überzeugung.
    »Ich denke, um das Thema endlich abzuschließen, solltest du das Original persönlich inspizieren. Wenn dann immer noch etwas unklar ist, muß man weitersehen.«
    Was ich vorschlug, schien sie nicht zu überzeugen. Ihr Kopf wiegte sich zur Seite, wie manche Vögel es tun, die sich plötzlich beobachtet fühlen. Ich fragte mich, warum sie sich so gegen diese Aufgabe wehrte. Und ließ die Frage gleich wieder fallen. Mona war nicht hilflos, allenfalls unangenehm berührt. Sie haßte das Thema, das ihr so am Herzen lag. Das war die Kehrseite ihrer deutschen Moral. Das arme Kind mußte hart dafür schuften, gut zu sein. Es war ihr anzusehen, daß sie sich redlich bemühte – anders als ich. Sie schluckte etwas herunter, was sich hinauf drängen wollte. Wie sie so dastand in ihrem ärmellosen flauschigen Pulloverchen und den Samthosen – so schmal und zierlich, daß die Hüftknochen sich im Flor des Samtes abzeichneten wie kleine Hügel in einer weichen Landschaft –, hätte man meinen können, der Luftzug, der durch das Fenster von der Straße kam, trage sie gleich davon.
    »Ich kann diesen aufgeblasenen Perlensamt nicht ausstehen. Ich begreife nicht, wie du so blind sein kannst.«
    »Was hat David denn damit zu tun?«
    »Meinst du nicht, daß er der Anbieter des Courbet ist, der sich hinter dem Vermittler versteckt?«
    »Keine Ahnung. Ich habe ihn nicht danach gefragt. Das ist dein Job. Ich habe dir nur gesagt, was ich gesehen habe. Ich dachte, du seist an diesen neuen Entwicklungen interessiert. Wie war das mit der Wahlverwandtschaft? Da werden aus Tätern Juden … Hilf mir, ich krieg’s nicht mehr zusammen.«
    Sie antwortete nicht.
    »Was ist mir dir? Hast du die Sprache verloren?«
    »Du – du hast dich total verändert, seit du diesen Perlensamt kennst.«
    Auf einmal traten Tränen in ihre Augen. Sie drehte sich auf dem Absatz um. Ich hörte, daß sie zur Toilette ging. Einige Minuten später war sie wieder da. Ohne Tränen. Immer noch stumm.
    »Okay, laß uns ausnahmsweise tauschen. Muß Henriette ja nicht mitkriegen. Du übernimmst meine Schmucksache aus Wien, Albertina, da kannst du mit deiner Freundin Hatty von Papsburg quatschen, und ich kümmere mich um den Courbet. Hast du Namen und Adresse?«
    Sie nickte. »Von der Mittelsperson. Der Anbieter will, wie gesagt, nicht genannt werden.«
    »Mir scheint, im Zusammenhang

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