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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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unterschiedlicher Größe. Nackte, schwarzlackierte Gitter. Durch die Fenstertüren sah man das Brandenburger Tor, die Lindenallee, Fragmente des Tiergartens. Das Geschehen am Leipziger Platz war schalldicht entfernt. Man war unbelästigt hier oben und doch mittendrin.
    »Ich gebe zu, es ist mir manches Mal schon passiert, daß meine Angebote mit diesem Blick nicht konkurrieren konnten«, sagte eine Stimme in meinem Rücken. Ich drehte mich um.
    »Roderick von Arnold de la Pierre.«
    Vor mir stand ein kleiner rundlicher Mann, zu dem der Name paßte wie ein Stöckelschuh in den Matsch. Er streckte mir die Hand entgegen, machte eine kleine altmodische Verbeugung und lachte. Seine Zähne waren makellos. Ich hatte noch nie eine Schießbudenfigur gesehen, so etwas gab es in meiner Kindheit nicht einmal mehr auf Coney Island. Aber genau so wie de la Pierre stellte ich mir eine vor. Seine Gestik war heftig und schien jeden Augenblick seinen zu engen, zu modischen Anzug zu sprengen. Der runde Kopf mit den geröteten Schweinebäckchen verriet zu hohen Blutdruck. Bestimmt war dieses nicht sein erster Beruf. Vielleicht war er vorher mit Staubsaugern oder Immobilienverkäufen unterwegs gewesen oder er hatte Schweinebäuche verschickt. Ich konnte mich gerade noch beherrschen zu fragen, warum um Himmels Willen ausgerechnet er diesen Namen trüge. Ich reichte Herrn Arnold de la Pierre meine Karte.
    »Wir hatten wegen des Courbet telephoniert, den Sie uns angeboten haben.«
    »Das weiß ich doch, das weiß ich doch. Saunders, Saunders – könnte ich schon mit Ihrem Vater zusammengearbeitet haben?«
    Angeber. Laut sagte ich: »Bedauere, meine Familie stammt nicht aus Berlin.« Lieber hätte ich gesagt, das kann ich Ihnen sagen, wenn Sie mir sagen, wer mein Vater war.
    »Ach, ich dachte nicht unbedingt an Berlin, London vielleicht?«
    Ich verneinte.
    »Na ja, man denkt in diesem Geschäft, man müßte alle kennen. Unsere Welt ist klein. Da macht man aus ihr immer direkt einen Familienbetrieb.«
    »Der Courbet stammt aus Berlin?«
    »Ja, er stammt aus einer privaten Sammlung. Der Anbieter möchte gerne noch anonym bleiben. Bei Abschluß des Geschäftes gibt er natürlich seine Identität bekannt.«
    »Ich würde das Bild gern sehen.«
    »Natürlich, Herr Dr. Saunders, deswegen sind Sie ja hier. Ich werde es holen. Darf ich Ihnen in der Zeit etwas bringen lassen?«
    Ich lehnte ab und wandte mich wieder zur Terrasse. Manchmal hatte ich den Eindruck, in der falschen Stadt zu leben. Immer häufiger kam mir der Gedanke, gelegentlich um Versetzung zu bitten, nach Paris oder Amsterdam. Oder zurück nach New York. Nicht, daß mir Berlin unangenehm war. Ich fühlte mich nur nicht wohl – trotz der Freundschaft mit David. Ich vermutete unterirdische Spuren, die nicht zur Oberfläche paßten. Vielleicht hatte Rosies Aversion mich verdorben oder ich suchte unwissentlich nach der Bestätigung ihrer Ansichten. Aber was überlegte ich da? Ich hatte kein lästiges Erbe zu verwalten. Offenbar hatte sich Monas Beschwörungsformel eingeschlichen. Wahlverwandtschaften. Lächerlich.
    »Die Anbieter sind nicht in einer Notlage. Ehrlich gesagt kann ich nicht ganz verstehen, warum sie überhaupt verkaufen. Immerhin ist das Bild seit einigen Generationen in der Familie. Ich habe den Eindruck, dem Verkauf liegt ein privates, um nicht zu sagen intimes Motiv zugrunde. Aber bei so einer Ahnung fragt man natürlich nicht weiter nach.«
    Davids Äußerung, daß mit dem Courbet alles – was das auch immer war – begonnen hätte, paßte dazu. Aber er würde mich doch nicht belügen! Warum sollte er? Dazu waren wir inzwischen viel zu vertraut. Ich sah mir das Bild, das Herr von Arnold auf die Staffelei gestellt hatte, genauer an. Es war, so weit ich meiner Erinnerung trauen konnte, das Bild, das ich bei Perlensamts gesehen hatte. Auf den ersten Blick sah es ganz gewiß nicht wie eine Fälschung aus. Ein weiteres aus der Serie also?
    »Sie haben die Expertise?«
    »Natürlich.«
    »Von wem?«
    Die Papiere enthielten eine Liste von Eigentümern, ein Gutachten mit Photo sowie Beschreibung und Auswertung einer Röntgenprüfung. »Sie können diese Kopien gern behalten.«
    Jedesmal, wenn ich solche Unterlagen in Händen hielt, fragte ich mich, was sie wirklich wert waren. Sie sind etwas wert , soviel steht fest. Ob Rothschild auf der Liste steht oder heute Saatchi, Thyssen, Flick. Die Namen sind etwas wert, obwohl häufig die wirklichen Stationen nicht nachprüfbar

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