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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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sind. Oft genug wird gemogelt, manchmal betrogen. Die Firma hatte einmal einen Beuys in der Auktion gehabt, der für sechs Millionen, damals noch D-Mark, unter den Hammer kam. Die Provenienz war lückenlos. Da war nur diese Sache mit dem letzten Besitzer. Er war gerade in einen heftigen Wirtschaftsskandal verwickelt. Nicht genug. Sein Vater hatte ärgerlicherweise zur crème brulée der Nazis gehört und war nach den Prozessen von Nürnberg gehängt worden. Solche Fingerpatscher wollte niemand auf der deutschen Avantgarde hinterlassen wissen. Also ließ man diesen Eigentümer einfach weg. Das erhöhte die erzielte Summe um ein Vielfaches. Aber was eine Provenienz genau wert ist, weiß niemand. Und natürlich kommt es vor, daß ein Bild einer Sammlung entstammt, die zweifelhaft ist. Jeder weiß das. Niemand will es beweisen. Ich überflog die Papiere. Nirgendwo auf der Liste stand der Name Perlensamt. Der Experte war mir bekannt, und darüber hinaus wurden Namen von Sammlungen genannt, die man überprüfen konnte. Nur ein Idiot würde das fälschen.
    »Gut. Ich gebe die Daten weiter, und Sie bekommen Bescheid, auf welche Auktion es gehen könnte, möglicherweise Ende des Jahres nach Paris, aber das entscheide ich nicht, wie Sie wissen. Ich nenne Ihnen dann auch den aktuellen Schätzpreis.«
    Herr von Arnold nickte. »Auf die erste Auktion, in die es paßt. Mein Kunde möchte es – bald verkauft wissen. Das intime Motiv, Sie verstehen.«
    Ich wollte es gar nicht verstehen. Mir ging durch den Kopf, was Mona gesagt hatte. Ob David der heimliche Anbieter war. Ob er vielleicht langsam damit beginnen wollte, die Sammlung aufzulösen. In diesem Fall hätte die Petersburger Hängung jetzt wohl eine leere Stelle. Es war ein sportlicher Akt, das eben zu überprüfen, reine Neugier. Herr von Arnold schien angenehm berührt, daß ich es eilig hatte.
    »Sie möchten nicht vielleicht doch etwas trinken?«
    »Nein, vielen Dank, ich habe in zehn Minuten schon den nächsten Termin.«
    Er begleitete mich hinaus. Unten angekommen schwang ich mich aufs Fahrrad und radelte die Straße des 17. Juni unter einem wolkenlos blauen Himmel nach Westen. Ich war so gespannt, was mich in der Fasanenstraße erwarten würde, daß ich trotz meiner guten Kondition fast außer Atem geriet.

NEUN
    Hector Feliciano irrt, wenn er Suzanne de Bruycker in seinem Buch über Das verlorene Museum als Tochter des namhaften Journalisten Jean Luchaire einführt. Die zierliche Person war vor ihrer Hochzeit mit Otto Abetz die Sekretärin von Luchaire gewesen, der zu dieser Zeit die kulturpolitische Zeitschrift Notre Temps leitete. Man amüsierte sich im Redaktionsstab darüber, daß Hitlers späterer Botschafter in Paris seinen Freund Luchaire um die Hand der Geschätzten bat, gerade weil sie nicht seine Tochter war! Kultiviert, intelligent, zurückhaltend im Wesen – las ich in einer Biographie über diese Frau. Im übrigen stammte Suzanne nicht aus Frankreich. Sie war flämischen Ursprungs. Im Oktober 1933 gebar sie einen Sohn, Bernhard. Die Tochter Sonia kam im März 1936 zur Welt.
    Ich greife vor: Die Unterlagen machen das – oder der Wein. Hätte die Haushälterin mich letzte Nacht nicht unterbrochen, wären diese Papiere in Flammen aufgegangen. Heute hat Madame Eugénie das Feuer gemacht und die Klappe gezogen. Möglicherweise hält sie mich für verrückt. Sagen würde sie das nie. Sie sagt, sie habe viele Leute in diesem Haus kommen und gehen sehen. In ihrem Tonfall klingt an, daß sie nichts mehr überraschen kann. Ich möchte sie loswerden. Ich will diese Dokumente vernichten. Aber es ist gar nicht so leicht, Madames Redeschwall einzudämmen. Endlich ist sie da angelangt, wohin sie vermutlich von Anfang an wollte. Was ich denn da eigentlich verbrenne? Ob das mit den Anrufen zusammenhinge, die sie seit Tagen abwimmeln muß. Ich bin verblüfft. Es stimmt, daß ich sie gebeten habe, mich abzuschirmen. Aber ich habe mir nicht klar gemacht, daß sie aus den sich wiederholenden Anrufen ihre Schlüsse zieht.
    Madame Eugénie erklärt mir umständlich, es sei durchaus üblich, nicht nur die Haushälterin der Vormieter zu übernehmen, sondern oft auch noch das übrige Personal. So hatten auch der Fensterputzer, der Gärtner und die Masseuse der früheren Gnädigen Frau ihre Dienste angeboten. (Offenbar ging man davon aus, daß jemand, der ein solches Haus bewohnt, sich das alles leisten kann.) Auch das Kindermädchen hätte angefragt. Aber das sei ja klar, daß

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