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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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mit Courbet will überhaupt niemand mehr genannt werden. Wir sollten den Leuten Nummern geben wie die Schweizer ihren Konten.«
    Mona legte die Daten vor mich hin und setzte sich wieder.
    »Harriett ist nicht meine Freundin, sie ist Henriettes Cousine«, sagte sie leise.
    »Hätte ich mir denken können, wo sie doch die gleichen Nasen, die gleichen Handtaschen und fast die gleichen Namen haben.«
    »Trotzdem danke, Martini. Es überkommt mich manchmal. Danke, daß du darauf Rücksicht nimmst.«
    Ich erfuhr nicht, was sie überkommen hatte. Statt dessen ließ sie sich über die Namensgebung in Familien aus, als handelte es sich um den Tartan eines Clans. »Sie fangen in Henriettes Familie alle mit H an, wegen des Nachnamens. Jedenfalls in dieser Generation. Wir heißen alle durcheinander«, erklärte sie, als könne ihre Ruhrkohledynastie aus Hauern und Steigern vor allem wegen des Durcheinanders der Anfangsbuchstaben von Namen nicht mit dem ehemals regierenden Haus H mithalten. Sie blickte versonnen in die Welt ihr gegenüber, in deren Vordergrund ich saß, deplaciert für diesen träumerischen Blick.
    »Es wäre eine gute Idee gewesen, uns alle mit K beginnen zu lassen.«
    Ich beließ es bei dem Geheimnis um den magischen Buchstaben K. »Willst du nicht nach Hause gehen? Es ist nach acht. Was tust du noch hier?«
    »Dich fragen, ob du mit mir essen gehen willst.«
    »Ich muß noch verschiedene Telefonate führen«, sagte ich und griff zum Hörer. Ich hatte einen Kloß im Hals. Warum, verdammt, wollte sie mit mir essen gehen. Das machten wir nie. »Ist irgend etwas?«
    »Müde. Mir ist kalt. Ich hätte gern Gesellschaft.«
    »Es ist Indian Summer! Und was für einer! Vor einigen Tagen noch herrschte brüllende Hitze. Wie kann man da frieren?«
    »Hab lange keine Ferien mehr gehabt, zu viel lächeln müssen«, antwortete sie und versuchte zu lächeln.
    »Erhol dich. Mach, daß du fortkommst. Nein, nein, verzeihen Sie, Herr von Arnold, ich sprach noch mit einer Kollegin. Es klingelte so lange … Saunders am Apparat, Martin Saunders, die Berliner Niederlassung von NOBBLE NYC . Guten Abend. Sie haben uns einen Courbet angeboten, La Vague, ja, ich würde das Bild gerne sehen. Gibt es eine Expertise? Um so besser. Morgen nachmittag? Wunderbar. Danke.«
    Mona stand immer noch in der Tür. »Und das Bild, das du neulich bei diesem Perlensamt gesehen hast?«
    »Was geht uns das Bild an, so lange es in dieser Wohnung hängt? Vielleicht war Courbet vernarrt in den Strand von Étretat. Oder das Motiv ging einfach wie warme Semmeln. Du hast ja gehört, daß ich das Angebot morgen sehen werde. Danach ist die Sache hoffentlich geklärt. Du bist sonst schneller mit deinen Recherchen.«
    Sie packte langsam ihre Tasche und drapierte an einem Seidentuch herum, als gelte es, ein endgültiges Arrangement zu gestalten.
    »Du bist …«
    »Ja, was?«
    Sie sah immer noch schmal und verletzlich aus. Ihr rotes Haar, das sonst sattfarben leuchtete, schien eine Spur heller.Sie verschwand, ohne sich noch einmal umzusehen.

ACHT
    Ich ertappte mich dabei, wie ich David taxierte. Ich suchte nach möglichen Ähnlichkeiten mit jemandem, der für die Nazis in Paris gewesen war, irgendeine höhere Charge, die mit Kunst zu tun gehabt hatte. Wer mochte Davids Großvater gewesen sein? Für die Regierung tätig war ein dehnbarer Begriff. Was das äußerliche Klischee betraf, bot Davids Physiognomie keine Anhaltspunkte. Sein Gesicht wirkte so »deutsch« wie das von Maria Callas. Andererseits wußte ich überhaupt nicht, was typisch deutsches Aussehen ist. Manche bei uns zu Hause stellen sich einen Typen in Lederhose vor, der an einem Eisbein kaut. Die Nazis hatten wohl eine andere Idee im Kopf gehabt. Vielleicht entsprach Davids Vater deren Bild, jedenfalls vor der Tat und bevor er in sich zusammensank. Aber das brachte mich nicht weiter. Davids Mutter? Sie war eine dunkelhaarige Frau gewesen, ein eher spanischer Typ. Die Photos in der Presse zeigten sie als ausgesprochene Schönheit. Aber David ähnelte ihr trotz seiner dunklen Haare und Augen nicht. Wenn David überhaupt jemandem ähnlich sah, dann, wie ich fand, dem Maler Balthus.
    Es folgte eine Zeit, in der wir oft zusammen waren. Mein Stoffwechselproblem hatte sich von selbst gelöst. Ich realisierte, daß der Schatten, der mich manchmal bedrückt hatte, wie weggeblasen war. Ich war dankbar dafür, denn diese merkwürdige Stimmung hatte sich weder mit der tatkräftigen Art meiner Mutter vereinbaren

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