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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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ich kein Kindermädchen bräuchte. Dann hätten noch zwei Personen angerufen, die mich persönlich sprechen wollten. Eine Frau mit ausgezeichnetem Französisch war darunter (also konnte es Mona nicht gewesen sein). Das andere sei ein Mann gewesen, der sich sehr höflich in Englisch gemeldet hätte. Aber Englisch verstünde sie nun mal nicht. Die Frau hätte aus Paris angerufen und ihre Nummer hinterlassen. Sie hätte der Dame aber gleich gesagt, es könnte mit dem Rückruf Wochen dauern. Der Herr des Hauses (das bin ich) sei sehr beschäftigt. Der höfliche Mann hatte mehrmals hintereinander angerufen. Es schien ihm sehr wichtig zu sein. Madame Eugénie reicht mir einen Zettel. Es ist die Nummer von Edwige. Könnte der Mann, der nichts hinterlassen hat, David gewesen sein? Wie zum Teufel hätte er meine Nummer herausbekommen können? Madame Eugénie steht immer noch vor mir und sieht mich erwartungsvoll an. Sie denkt doch wohl nicht ernsthaft, daß ich ihr sagen werde, was ich hier verbrenne? Gerade als ich ihr mit scharfer Zunge erwidern will, es ginge sie verdammt nochmal nichts an, was hier kokelt, fällt mir ein, daß ich auf sie angewiesen bin.
    Ich erzähle ihr also die absurdeste Geschichte, die mir in den Sinn kommt. Ich hätte in Brüssel Zuflucht gesucht und würde die Beweise einer angeblich gescheiterten Ehe verbrennen. Der höfliche, Englisch sprechende Mann verfolge mich nämlich. Er sei der Liebhaber meiner Frau. Er wolle mich dazu bringen, in die Scheidung einzuwilligen. Madame Eugénies Augen weiten sich. Ich habe das richtige Thema getroffen. Ich fahre also fort. Ich bräuchte jetzt einen klaren Kopf. Ich müsse sorgfältig überlegen, was zu tun sei. Der Mann, der mir auf den Fersen sei, hieße Perlensamt. Sie müsse sich darüber im klaren sein, daß er mir skrupellos die Frau ausgespannt hätte. Eine schöne Frau, einer gotischen Madonna nicht unähnlich, eigentlich die Tugend in Person. Ich beschreibe Mona haargenau, bis hin zu ihrem Parfüm und den kleinen Eigenheiten, zu denen gehört, daß sie unter dem Schreibtisch die Schuhe auszieht, wenn sie denkt, daß es niemand merkt. Dann David. Wie er sich meine Abwesenheit zunutze gemacht hat, Mona zu hinterbringen, daß ich sie auf einer Geschäftsreise betröge. Er hat ihre Schwäche und Jämmerlichkeit unter dem Siegel des Trostes in seine Arme gedreht und sie schließlich auf sein Lager gezerrt. Ich wäre nach Hause gekommen, und alles hätte sich gegen mich gewandt. Standhaft hätte ich mich dennoch geweigert, in die Scheidung einzuwilligen. Ich will meine schöne, verwirrte Frau immer noch nicht einem solchen Lumpen überlassen. Ich bin so ergriffen von der Geschichte, daß mir fast die Tränen kommen. Offenbar habe ich Talent zur Lüge.
    Auch Madame ist ergriffen. Sie nickt mehrmals, als ich geendet habe. Ihr Gesicht zeigt tiefes Verständnis. Ihr steht nicht nur meine Lage vor Augen, sie sieht auch die Gefahr, in der Mona schwebt: schutzlos in den Armen eines Ungeheuers! Gewitzt wie Madame ist, begreift sie sofort, daß mir zur Zeit die Hände gebunden sind. Meine Frau, beeinflußt von diesem Teufel und seiner Süßholzraspelei, vertraut mir im Augenblick nicht mehr.
    »Sie müssen sie seinem Einfluß entziehen! Holen Sie Ihre Frau hierher, Monsieur!«
    Ich bitte sie um Unterstützung. Ich sehe an ihrem Blick, daß sie mir und meiner Geschichte zu Füßen liegt. Dann sage ich ihr, ich nähme nun ein Bad und ginge dann zu Bett. Heute, obwohl dringend notwendig, würde ich nichts mehr verbrennen. Die Erinnerung sei zu heftig und schmerze zu sehr. Ich schicke ein Stoßgebet zu den Sternen, sie mögen mir dieses Ammenmärchen verzeihen.
    Zwanzig Minuten nach meinem Termin bei Herrn Arnold de la Pierre klingelte ich bei Perlensamt. Aber es war nicht David, der mir öffnete. Eine weibliche Stimme meldete sich durch die Sprechanlage.
    »Ich möchte zu David Perlensamt.«
    »Einen Augenblick bitte, ich komme hinunter und lasse Sie ein.«
    Erst da fiel mir auf, daß dieses Gebäude über keine automatische Türanlage verfügte. Man erwartete von den Bewohnern wohl Personal und schätzte im übrigen unkontrolliertes Kommen und Gehen nicht. Die Frau, die ans Tor kam und öffnete, war nicht, wie erwartet, die Haushälterin.
    »Sie sind ein Freund von David, nehme ich an. Ich bin Edwige Abèz, Davids Tante.«
    Für Davids Tante erschien sie mir recht jung. Geblümtes Seidenkleid. Auffallend elegant. Ihr honigfarbenes Haar war hochgesteckt und ließ die

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