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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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Monas Tonfall wieder. »Es war Ihre Mutter, die er erschossen hat. Wer, wenn nicht Sie, hat ein Recht zu erfahren, warum er tat, was er tat.«
    David ließ sich nicht aus der Reserve locken. »Mein Vater steht unter Schock. Ich werde kein vernünftiges Wort aus ihm herausbekommen. Abgesehen davon gibt es etwas zwischen Mann und Frau, zu dem ein Kind keinen Zugang hat. Mein Vater wollte, daß sie beide sterben. Es war das Geheimnis eines Ehepaars. Ich bin in meinen Spekulationen darüber befangen. Deswegen suche ich auf andere Art nach der Antwort. Kommen Sie.«
    Er zog Mona in einen Raum hinein und ließ die Tür ein Stück weit offen. Ich ging ihnen nach. Ich traute meinen Augen nicht. Der Raum war bis auf zwei Wandkandelaber dunkel. Der Schein der Kerzen wurde durch einen gegenüberliegenden Spiegel verdoppelt. In der Mitte, auf einem orientalisch anmutenden Kissenberg, saß eine Frau im Schneidersitz. Ihre Lippen bewegten sich langsam. Man hörte nichts.
    »Wer ist das?«
    »Marie Andramovic. Ein Medium.«
    Ich konnte mich nicht länger beherrschen. »Du glaubst an so einen Unsinn?«
    »Nicht so laut, Martin, du störst ihr Feld. Sagen wir so – ich halte die Magie verschiedener Sphären nicht für Unsinn. Es gibt Magnetfelder. Das ist physikalisch nachweisbar. Allein die Erdanziehungskraft …«
    »Ja, und die Bewegungen der Planeten und Sterne, die Umlaufbahnen, was sie anziehen und abstoßen …«
    »Sehr richtig, Mona. Es ist eine physische Angelegenheit. Man muß begabt sein. Aber man muß auch die Konzentrationsfähigkeit erlernt haben, ohne die es unmöglich ist, auf die richtige Spur zu kommen. Man muß die Sphären hören lernen, so wie ein Radiologe lernt, eine Sonographie zu lesen. Marie ist eine der besten. Sie ist russischer Abstammung, ausgebildet in New York bei Adelaide Bride, einer Grande Dame ihres Fachs.«
    Als ich den Namen hörte, verschluckte ich mich an der eingesogenen Luft. Mit einem heftigen Hustenanfall ging ich aus dem Zimmer. Adelaide Bride. Vielleicht hatte ich mich verhört. Ich wollte mich verhört haben. Es dauerte eine Weile, bis sich meine Bronchien beruhigt hatten. Endlich kamen auch Mona und David wieder aus dem psychedelischen Raum. Mona schien beeindruckt. Sie wirkte in sich gekehrt und schwieg. David, der offenbar spürte, wie absurd ich das alles fand, schlug einen Haken.
    »Du bist anderer Meinung, nicht wahr, Martin? Dann frag ihn selbst. Besuch meinen Vater und frag ihn, warum er seine Frau erschossen hat. Vielleicht kannst du mir ja etwas über meine Eltern erzählen. Was weißt du über deine? Alles? Ich glaube, die meisten Kinder wissen nur sehr wenig über ihre Eltern. Du kennst meine Familie nicht. Sie ist – wie alle Familien: Fluch, Verhängnis, Sehnsucht. Sie ist ein Stein, der einen in den Abgrund zieht, und dennoch will man ihn nicht loswerden. Es ist, als ob man, wie all die anderen, in den Abgrund gehörte. Ja, tu das. Besuch ihn«, wiederholte er. »Als Freund von mir. Und frag ihn, was aus den Bildern werden soll. Vielleicht öffnet er sich einem Fremden. Vielleicht findest du den Zugang zu ihm, den er mir, seinem Sohn, verwehrt hat.«
    David sah mich eindringlich an. Mich berührte dieser Blick eigentümlich.
    »Ich überlege es mir. Ich werde jetzt gehen. Morgen ist ein normaler Arbeitstag, leider. Mona, kommst du mit?«
    Sie nickte.
    Perlensamt ließ unsere Mäntel bringen. Als wir uns verabschiedet hatten, drehte ich mich noch einmal um. Ich konnte auf die Frage nicht verzichten.
    »Sag – wie hieß doch gleich die ›Grande Dame‹ des Hokuspokus, die du eben erwähntest?«
    »Adelaide Bride. Warum? Bist du doch interessiert?«
    Ich verneinte. Ich hatte mich nicht verhört. Noch im Bett schüttelte ich den Kopf. Adelaide Bride. Das war zum Lachen. Oder zum Weinen? Rosie. Schon wieder oder immer noch oder immer wieder. Es war nicht zu fassen. In jedem Spiel hatte sie ihre Finger drin. Wie machte sie das nur?

ELF
    Auf Mona hatte der Abend eine eigentümliche Wirkung.
    »Das war ja gruselig. Ich hatte den Eindruck, du warst der einzige, den er näher kennt.«
    »Aber du hast mit ihm geflirtet. Du hast dich amüsiert. Und warst beeindruckt von seinem Medium.«
    »Das stimmt doch gar nicht. Das bildest du dir ein.«
    »Nimmst du ihm den Grund für die nackte Wand ab?«
    »Ich nehme Perlensamt gar nichts ab. Es tut mir leid, daß ich die Bilder nicht gesehen habe. Der Rest interessiert mich nicht.«
    Ich glaubte ihr nicht. Ich machte gar nicht den

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