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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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zog uns mit sich und stellte uns ein französisches Ehepaar vor, das für Berlin schwärmte. Wie sehr die Stadt sich seit dem letzten Besuch verändert hätte. Daß sie sich täglich vor ihren Augen weiter veränderte. Sie seien jedes Jahr hier. Woher käme in Berlin nur das Geld? Berlin sei die einzige europäische Stadt, in der man sich noch ein außergewöhnliches Leben leisten könne, interessant für Ausländer, auch für Franzosen. Es gäbe inzwischen sogar ein paar ganz gute Restaurants. Diese Jahre könnten in Berlin zur Legende werden wie die Zwanziger in Paris, die Dreißiger in New York und die Sechziger in London. Mona wurde abgelenkt von einer schrillen, korpulenten Erscheinung, in der sie eine Sammlerin von Armbanduhren zu erkennen glaubte. Sie sagte, sie hätte ein Angebot für sie, Cartier, dreißiger Jahre. Ich hielt das für Unsinn. Ich glaube, Mona hatte bereits die Nase voll von den Leuten. Ich blieb mit dem französischen Paar alleine zurück.
    »Sie kommen auch aus Paris? Kennen Sie sich über Davids Tante?«
    Die Draines kamen aus Paris, wußten aber gar nicht, daß es eine Tante gab, die in Paris lebte. Eigentlich wußten sie überhaupt nichts. Sie verloren kein Wort über die Abwesenheit des Vaters und den Tod der Mutter. Scheinbar wunderten sie sich auch nicht über die veränderte Ausstattung der Wohnung. Sie standen wie bezahlte Statisten in der veränderten Kulisse. Der ohnehin nicht kleine Raum wirkte jetzt um vieles größer und vor allem heller, da die Wände einheitlich in eine lichte Aprikosenfarbe umgestrichen worden waren. Auch die Fenstervorhänge waren neu. Helles Beige mit floralen Stickereien in Grün, Rosa und Rot. Für wen hatte David diesen Abend inszeniert? Für die Draines ganz bestimmt nicht. Ich winkte dem Kellner, der jetzt mit Stremellachshäppchen unterwegs war. Ich lobte vor den französischen Gästen ausführlich diese preussische Spezialität, erklärte ihnen das Zubereitungsverfahren, was die Gäste einigermaßen fassungslos machte, und ließ sie dann mit kopfnickender Ermunterung alleine weiterkauen.
    In einem Erker entdeckte ich David mit Mona. Sie schimmerte in dieser Umgebung wie ein Porträt von Bronzino. David redete auf sie ein. Den Rest der Gesellschaft hatte er aus den Augen verloren. Die Party war ein Spuk. Die Gäste schienen sich überhaupt nicht zu kennen und auch mit dem Gastgeber nicht besonders vertraut zu sein.
    »Nun, Martin, gefällt es dir?«
    »Ich habe eine gewisse Schwäche für Bronzino«, sagte ich so kühl wie möglich und blickte Mona an. »Und wo ist er nun?«
    »Den hat mein Großvater leider nie in seiner Sammlung gehabt.«
    »Der Ehrengast, ich meine natürlich ihn!«
    »Ich verstehe dich immer noch nicht.«
    »Der- oder diejenige, dem du mit dieser Einladung klar machen willst, daß es hier nichts oder nichts mehr zu sehen gibt.«
    David tat erstaunt. »Wie kommst du auf eine solche Idee? Ich hatte nach allem, was passiert ist, die Nase voll von diesen düsteren Räumen. Ich kam mir schon als Kind immer vor wie in einem venezianischen Palazzo. Ich glaube, ich bin einer der wenigen Menschen, die Venedig abgrundtief widerlich finden. Meinetwegen könnte die gesamte Stadt absaufen. Ich habe nicht viel übrig für Vergangenes. Das Problem ist nur, daß das Vergangene darauf keine Rücksicht nimmt. Die neu gestalteten Räume sind – sehr privat gesprochen – eine Zäsur, der Versuch, sich auch optisch von einer Vergangenheit zu lösen.«
    »Was meinen Sie denn damit?«
    »Die Sammlung, liebe Mona, ist die Manifestation der Geisteshaltung unserer Familie. Mein Großvater hat sie in der NS-Zeit angelegt. Man schwieg darüber. Aber die Bilder sprachen für sich. Die ganze Wohnung einschließlich der Bilder ist, wenn Sie so wollen, ein Asservat. Eigentlich ist es kaum möglich, sie aufzulösen. Und doch habe ich mich mit der ersten Veränderung an die Auflösung gewagt.«
    Für einen kaum wahrnehmbaren Moment berührte er mich oberhalb der rechten Hand. Wein schwappte aus seinem Glas und durchnäßte meine Hemdmanschette. Es sah aus wie ein Mißgeschick. Aber ich wußte, daß es Absicht war.
    »Ich wollte Ihnen zeigen, daß ich es gewagt habe, den gefährlichen Versuch zu unternehmen, den verdammten Kreis, in dem die Familie seit zwei Generationen gefangen ist, zu durchbrechen.«
    Mona starrte ihn an, als hätte er sie hypnotisiert. Ich hätte geschworen, daß sie in einer solchen Situation demonstrativ anfangen würde, zu pfeifen. Aber

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