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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bongartz
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zu werden. Die Sache Perlensamt lief ganz gut, aber sie steckte noch in den Kinderschuhen, die Erfindung war gerade erst patentiert, die Firma und der Name frisch gekauft. Er konnte sich die Auszahlung an mich so wenig leisten wie ich mir die Abtreibung eine paar Monate zuvor. Aber nun sprachen wir nicht über die Vergangenheit und nicht über die Gegenwart. Wir sprachen über die Zukunft. Das war mein Bauch. Er bat mich um das Kind. Er sagte, er würde es zu sich nehmen – unter seinem Namen. Es wäre nicht unehelich, bekäme eine gute Ausbildung, hätte eine glänzende Zukunft und würde ihn schließlich beerben. Und ich sei frei. Ich bin sicher, daß er das Kind nicht gewollt hätte, wenn ein kleiner Ganove sein Vater gewesen wäre. Mein Bruder war ein Parvenü durch und durch, ein Feigling. Daß er es so weit brachte, ist Zufall. Er hat einmal in seinem Leben die richtige Formel gedacht und notiert. Er war, wie nicht wenige Menschen im Deutschland der fünfziger Jahre, zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Maurice ging noch weiter. Er bat mich, Urlaub zu nehmen. Ich sollte zur Erholung in ein Seebad reisen. Und zur Entbindung käme ich nach Berlin. Er käme für alles auf. Immer wieder mußte ich ihn auf den Weg zerren, weil er wieder einen Setzling zertreten hatte, Kreppsohlen waren das damals. Ich weiß nicht, ob es solche Schuhe in Deutschland heute noch gibt, wir nannten sie écrase-merde à la boche. Er sah damals aus wie Karlchen Müller vom Dorf. Diese landadelige Eleganz hat er sich erst später zugelegt. Ich sagte ihm, ich müsse nachdenken, ich freute mich so auf das Kind. Ich schlug ihm vor, wir sollten uns am nächsten Tag in der Stadt zum Essen treffen. Er wußte nicht, wo ich wohnte, kannte sich nicht aus in Paris. Ich hatte immer nur die Adresse und Telephonnummer der Gärtnerei angegeben. Er folgte mir in allem, was ich wollte. Wir trafen uns also im Fünften, bei Lipp. Damals kostete das ein Schweinegeld. Ich genoß es, ihn ein bißchen auszunehmen. Außerdem hatte ich immer Hunger. Seit ich schwanger war, reichten Brot und billige Schokolade nicht mehr aus. Ich wollte Fleisch, am liebsten jeden Tag Chateaubriand. Nachdem ich ihn noch etwas reden und zappeln gelassen hatte, willigte ich ein. Ich wäre bereit, sagte ich, Miriam und ihm das Kind zu überlassen. Die Konditionen müßte ich mir noch überlegen. Natürlich traute er mir nicht. Er hätte gern alles schriftlich gehabt, mich am liebsten eingesperrt bis zur Entbindung. Aber für unseren Kuhhandel gab es kein Recht. Er mußte warten, bis er seine Beute hatte. Mein Leben wurde in dieser Zeit merklich leichter. An einigen Tagen genoß ich die Schwangerschaft sogar. Manchmal ging ich allein ins Fünfte, aß bei Lipp, schaute mir danach die Vitrinen der teuren Geschäfte an und tat so, als sei ich eine dieser vermögenden Gattinnen, die nach einem Lunch außer Haus der Tee im Salon erwartet. Und dann wurde das Kind geboren, ein Junge.«
    »David.«
    Sie nickte nicht. Sie bestätigte keinen meiner rhetorischen Einwürfe, als wären auch sie etwas Schriftliches gewesen, Beweisdokumente.
    »Er schien vor Freude halb verrückt. Er hatte alles perfekt arrangiert. Miriam war seit Wochen bei irgendwelchen Freunden in den Staaten. Die Nachbarn in der Fasanenstraße sollten denken, das Kind sei von ihr. Maurice, der längst Alfred hieß, hatte alles vorbereitet. Eine fremde Wohnung, eine Hebamme, die ihren Namen nicht nannte und meinen nicht erfuhr, eine erfahrene Kinderschwester, die das Kind übernahm. Damit konnte ich gehen. Ich war frei. Ich kehrte nach Paris zurück.
    Aber mit einem hatte ich nicht gerechnet: Ich war nicht mehr allein. Das Kind, von dem ich nicht einmal wußte, welchen Namen es erhalten hatte, war immer da. Es war die Hölle. Ich vermißte das, was ich für ein Monster gehalten hatte. Ich sorgte mich. Ich quälte mich. Ich fragte mich, ob die zimperliche Miriam sich an meinem Baby vergreifen würde. Kurz, ich hatte Sehnsucht nach ihm.«
    Ich sah, wie ihr die Tränen kamen. Für eine Inszenierung war das alles ein bißchen zu schäbig. Und wem überhaupt hätte die Inszenierung gedient? Sie sorgte sich immer noch um David – und fühlte sich schuldig. Das war der einzige Grund dafür, daß sie mit mir hier saß. Deswegen hatte sie mir die Briefe gegeben.
    »Ich wollte mein Kind zurück. Vermutlich hätte ich es entführen müssen, um es wiederzubekommen, und in einem langen Verfahren beweisen, daß es meines ist. Damals kannte man

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