Perlentöchter
Johns angeschaut hatten. Es war nicht ihre Absicht gewesen, es so weit kommen zu lassen, aber als es dann passierte, fand sie sich hinterher leise weinend im Bad wieder, weil es nicht dasselbe gewesen war wie mit Clive.
Trotzdem war es schön, einen Freund zu haben, der ihr zuhörte. Vor seinem Weggang hatte Clive offenbar aufgehört, ihr zuzuhören, und Helen konnte nicht anders, als sich geschmeichelt zu fühlen, dass ein Mann wie Bob, nach dem sich die Köpfe der anderen Frauen drehten, auf sie »scharf« war.
Nach ein paar Monaten erkannte sie allerdings, dass Bob und sie wenig gemeinsam hatten. Er war so still! Und irgendwie brauchte sie mehr. Ein schrecklicher Besuch bei Tante Phoebe und Onkel Victor, während dessen Bob das falsche Besteck in der falschen Reihenfolge benutzte und unfähig war, mit Victor ein Gespräch über das Angeln zu führen, bestärkte Helen nur noch mehr in ihrem Entschluss. Außerdem würde Clive bald zurückkehren. Sie musste ihn unbedingt sehen – herausfinden, ob sie eine gemeinsame Zukunft hatten.
Dann, nicht lange, nachdem Helen sich selbst und Maggy geschworen hatte, mit Bob Schluss zu machen, sah sie in ihr Tagebuch und stellte fest, dass ihre Regel seit zwei Monaten überfällig war.
34
Helens Zweifel wurden durch Bobs Reaktion verstärkt. Sie informierte ihn noch am selben Abend in einem Pub am Fluss, wo sie sich verabredet hatten. Er hob nervös den Kopf, als sie sich seinem Tisch näherte. Er musste geahnt haben an der Art, wie still sie nach dem Besuch bei seiner Mutter vorige Woche gewesen war – einer kleinen, unfreundlichen Person, die in ihr offenkundig eine Rivalin um die Zuneigung ihres Sohnes sah –, dass sie nicht zusammenpassten.
Und nun war sie tatsächlich schwanger!
Helen war richtig schlecht, als sie sich an den Tisch setzte und wartete, während er ihr ein halbes Lager vom Fass besorgte, auf dessen Geschmack sie von ihren Brüdern gebracht worden war.
»Ich habe mich verspätet«, sagte sie leise.
Bob warf einen Blick auf seine schwere Armbanduhr aus Gold – eines der wenigen Besitztümer, die sein Vater ihm hinterlassen hatte. Helen wusste, wie teuer sie ihm war.
»Nicht wirklich. Ist nicht schlimm.«
Er war nervös. Vielleicht, dachte Helen mit einem Schreck, hatte er vor, ihr den Laufpass zu geben, so wie sie ihm den Laufpass hatte geben wollen.
»Doch.« Sie streckte die Hand über den Tisch und ergriff seine. »Meine Regel ist überfällig. Ich habe es erst ziemlich spät bemerkt. Ich hatte auf der Station so viel zu tun, dass ich nicht darauf geachtet habe.«
Sie hatte noch nie gesehen, wie jemand weiß im Gesicht wurde. »Bist du dir sicher?« Er zog seine Hand weg. »Vielleicht ist es falscher Alarm.«
»Ziemlich sicher. Mir ist oft schlecht, und meine Brüste sind empfindlich.«
Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Falls du tatsächlich schwanger bist, ich habe ein bisschen Geld.«
Es dauerte einen Moment, bis sie seine Andeutung begriff.
»Du möchtest, dass ich abtreibe?«
Er wurde rot. »Wir müssen alle Möglichkeiten berücksichtigen.«
Dieser Gedanke war ihr nicht einmal in den Sinn gekommen. Taumelnd erhob sie sich von ihrem Stuhl. »Wenn du das so siehst, werde ich unser Kind allein großziehen.«
Ihre Stimme klang lauter als beabsichtigt, und ein paar Köpfe an den Nebentischen drehten sich zu ihr.
»Nein. Warte.« Er hielt sie am Arm fest, wobei er ihr ein wenig wehtat. »Lass uns doch erst sichergehen. Du musst dich von einem Arzt untersuchen lassen. Und falls es sich bestätigt, werden wir heiraten.«
Heiraten! Als Teenager hatte Helen sich öfter gefragt, ob sie später jemals einer haben wollte. Seit sie ihre Ausbildung im King’s Hospital angefangen hatte, staunte sie immer wieder, dass so viele Männer sie anscheinend witzig fanden, aber vor Clive hatte sie nie den Eindruck gehabt, dass die Männer sich für sie aus den richtigen Gründen interessierten. Clive! Der Gedanke an ihn verursachte ihr Magenschmerzen. Warum konnte das Baby nicht von Clive sein?
»Das heißt, falls du heiraten willst«, fügte Bob hinzu.
Wollte sie das? Helen betrachtete den großen blonden Mann, der ihr gegenübersaß. Er war ungemein attraktiv, das war nicht zu bestreiten. Aber sie kamen aus unterschiedlichen Verhältnissen. Ihre Tante würde ihn wahrscheinlich verächtlich der unteren Mittelschicht zuordnen. Bobs Mutter wiederum hatte nach Luft geschnappt, als Helen zufällig erwähnte, dass ihre Tante dem königlichen Hof
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