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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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heiraten, oder nicht?
    »Warum?« Maggy zündete sich die nächste Zigarette an ihrer noch glühenden Kippe an. »Du bist doch nicht schwanger, oder?«
    Natürlich nicht, aber sie war ihm doch sicher moralisch verpflichtet.
    »Moralisch verpflichtet?« Maggy warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. »Süße, der Krieg hat das alles zunichtegemacht. Dies sind die Fünfzigerjahre. Wir können mehr oder weniger tun, was uns gefällt!«
    Ihre Brüder schienen auch so zu denken. Geoffrey heiratete Penelope, das Mädchen, das er als junger Soldat kennengelernt hatte und dessen Eltern ihn aufnahmen als den Sohn, den sie nie hatten. Roger dagegen hatte sich von Judith scheiden lassen, die, so stellte sich heraus, gar nicht an Tuberkulose erkrankt war und alles erfunden hatte, wohl als Druckmittel. Er würde bald ein zweites Mal heiraten, eine Frau namens Eileen, die ein Mädchen aus erster Ehe hatte. Aber auch Judith hatte einen Sohn geboren, und obwohl das Kind während der Ehe zur Welt kam, beharrte Roger darauf, dass es nicht von ihm sei. Frank war unterdessen immer noch mit ihrem Vater und Edna auf Borneo. War es wirklich der Krieg, wie die Leute behaupteten, der moderne Beziehungen so kompliziert gemacht hatte?
    Das alles erfuhr Helen durch seltene Telefonate und noch seltenere Besuche ihrer Brüder. Zwar ließ sie selbst sich hin und wieder bei Tante Phoebe und Onkel Victor blicken, aber sie betrachtete ihre Wohngemeinschaft mit Maggy immer mehr als ihr Zuhause. Da für Helen das Geld immer knapp war, fügte es sich hervorragend, dass Maggys Vater die Miete bezahlte und sich weigerte, von Helen Geld anzunehmen. »Er ist viel zu froh, dass ich eine Mitbewohnerin habe, die auf mich aufpasst«, sagte Maggy mit einem Grinsen.
    Dann, eines Tages, traf aus heiterem Himmel ein Brief ihres Vaters ein, der seinen Besuch ankündigte. Er habe nicht viel Zeit, da er endlich wieder nach Borneo zurückkehren müsse. Endlich? Es stellte sich heraus, dass er sich bereits länger »geschäftlich« in England aufhielt. Warum hatte er sich nicht die Mühe gemacht, sie schon eher zu kontaktieren?
    »Du weißt doch, wie er ist, Hellie«, sagte Geoffrey, als sie gemeinsam zu dem Haus in der Nähe von Richmond fuhren, das ihr Vater gemietet hatte. Er wollte sie damit trösten, aber selbst er war bestürzt beim Anblick der mageren, ausgezehrten Gestalt, die sie an der Tür begrüßte. Der hünenhafte Mann mit den verwobenen schwarzen Augenbrauen war verschwunden. Sie waren zu einer grauen Linie ausgedünnt, und sein Kinn schien geschrumpft zu sein. Sein Rücken war krumm, und das Gehen fiel ihm schwer, während er sie zu Edna in den Morgensalon führte. Nur die tiefe Kerbe in seinem Nacken zeugte davon, dass er einmal ein Mann gewesen war, der das Abenteuer suchte.
    Edna gab ihnen kühl die Hand. Sie war auch schmaler geworden, obwohl ihre scharfen Gesichtszüge noch immer so waren, wie Helen sie in Erinnerung hatte. Auf gewisse Weise ähnelte sie mit ihrer vogelhaften Ausstrahlung und ihrer adretten Aufmachung in Bluse und Hose der Herzogin von Windsor.
    »Wie geht es euch?«, fragte ihr Vater, nachdem er beiden einen Whisky in die Hand gedrückt hatte, ohne vorher zu fragen, was sie trinken wollten. Helen blickte auf das Glas in ihrer Hand. Es war mitten am Morgen, aber wenn sie nichts davon trank, würde ihr Vater etwas sagen.
    »Bestens, Sir«, antwortete Geoffrey.
    Helen hörte zu. Die Unterhaltung klang, als hätten sie sich nur wenige Wochen oder Monate nicht gesehen statt Jahre. Wäre ihre Mutter jetzt hier, würde sie Helen an sich ziehen und umarmen, die weiche Wange an ihre drücken, nach Gesichtscreme und Rosen duftend. Plötzlich hatte Helen große Sehnsucht nach ihrer Mutter. Ihr wurde nun bewusst, dass sie diese Sehnsucht jahrelang abgeblockt hatte, damit sie nicht von ihr in die Tiefe gerissen wurde, in ein schwarzes Loch, aus dem sie nie wieder herauskam.
    »Das hier ist für dich, Helen.«
    Ihr wurde plötzlich bewusst, dass ihr Vater ihr etwas entgegenhielt. Ein kleines Etui. Als sie es öffnete, hoffte sie unwillkürlich, dass sich darin ein Perlencollier befand wie das ihrer Tante, das früher ihrer Mutter gehört hatte. Aber stattdessen waren es kleine Ohrringe. Es handelte sich um ein erlesenes Paar, mit drei kleinen Perlen, die tropfenförmig herunterbaumelten.
    »Vielen Dank, Vater.«
    Sie umarmte ihn kurz, aber sein Gesicht zeigte keine Reaktion.
    »Das ist ein Geschenk zu deinem Geburtstag. Der ist doch

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