Perlentöchter
als auch Helen starrten sie an.
»Sie kann das Kind hier großziehen. Wir werden uns darum kümmern und sicherstellen, dass es eine vernünftige Erziehung und Bildung genießt. Du kannst diesen Mann nicht heiraten, Helen. Er ist nicht der Richtige für dich. Ihr passt nicht zusammen.«
Helen kämpfte, um ihre Stimme zu finden. »Aber ich kann kein uneheliches Kind zur Welt bringen.«
Victor sog an seiner Pfeife und brummte, als wäre er mit seiner Nichte ganz einer Meinung.
»Und warum nicht?« Tante Phoebe funkelte sie beide an. »Die Zeiten haben sich geändert. Wir werden eben so tun, als wärst du verwitwet. Das haben während des Kriegs Gott weiß wie viele Frauen getan. Immer noch besser, als unglücklich verheiratet zu sein. Willst du denselben Fehler begehen wie deine Mutter? Sie war zwar nicht in anderen Umständen, als sie heiratete, aber jemand hätte ihr sagen sollen, dass sie und dein Vater nicht füreinander geschaffen waren.«
Das war nicht fair! Natürlich hatte es Streit gegeben, aber Helen konnte sich auch an Zeiten erinnern, in denen ihre Eltern einen recht glücklichen Eindruck machten und hin und wieder sogar miteinander lachten.
»Ich kann dir sagen, Helen, dass deine Mutter eine schreckliche Zeit durchgemacht hat, und ich werde sicher nicht tatenlos zusehen, dass es dir genauso ergeht.«
Von allem, was Tante Phoebe jemals zu ihr gesagt hatte, kam dies einer Zuneigungsbekundung am nächsten. Helen spürte sowohl Dankbarkeit als auch Bestürzung. »Das ist sehr freundlich von dir, aber ich liebe Bob.«
Bevor sie diese Worte sagte, war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie der Wahrheit entsprachen, aber mit einem Mal hatte sie großes Mitleid mit dem Mann dort oben, dem buchstäblich schlecht war vor Aufregung. Es war bestimmt nicht einfach für ihn, zu dem prächtigen Herrensitz zu fahren und Victor und der respekteinflößenden Phoebe gegenüberzutreten, um zu beichten, dass er ihre Nichte geschwängert hatte.
»Ich werde bald ein eigenes Kind haben! Und ich will eine möglichst gute Mutter sein.«
Zu Helens Verwunderung wurden die Augen ihrer Tante plötzlich feucht. »Es wird nicht einfach werden«, sagte sie. »Aber wenn du so fest entschlossen bist, diesen Weg zu gehen, kannst du auf unsere Unterstützung zählen. Nicht wahr, Victor?«
Es war in der Tat eine kleine Hochzeit auf dem Standesamt in Ealing. Bobs Mutter, Sandra, trug ein billiges violettes Kostüm, das Tante Phoebe sichtlich ein Dorn im Auge war. Penelope, Geoffreys Frau, machte ein paar laute Kommentare darüber, heiraten zu »müssen«, was Helen unter diesen Umständen unfair fand. Maggy trumpfte auf, indem sie darauf bestand, hinterher im Pub Champagner auszugeben, und sie verstand sich richtig gut mit Sandra, nachdem sie deren Glas mehrfach aufgefüllt hatte. Und Tante Phoebe borgte Helen das Perlencollier für diesen Tag – Helen berührte es immer wieder wie einen Talisman, während sie das Gefühl hatte, dass sie ihrer geliebten Mutter so am nächsten sein konnte.
In Momenten wie diesen spürte sie den furchtbaren Schmerz in ihrer Brust, den sie kannte, seit ihre Mutter aus dem Krankenhaus nicht wiedergekommen war. Mit einem gewissen Widerwillen gab sie die wunderschönen Perlen am Ende des Tages unversehrt ihrer Tante zurück. Insgeheim hatte sie sich gefragt, ob Phoebe ihr das Collier vielleicht zur Hochzeit schenken würde – schließlich hatte es einmal Helens Mutter gehört. Sollte es nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt an sie übergehen? Aber ein derartiges Angebot blieb aus, und stattdessen erhielt sie ein Bettwäscheset aus einfachem weißen Leinen von Gamages.
Es würde keine Flitterwochen geben. Bob hatte in der nächsten Woche ein Vorstellungsgespräch in Leeds, was bedeutete, dass er, falls er die Stelle bekam, unter der Woche fort sein würde. In der Zwischenzeit hatte Helen sich im Krankenhaus in Ealing als Hebamme beworben und eine Zusage erhalten. Sie verschwieg ihre Schwangerschaft aus Angst, nicht genommen zu werden. Nur gut, dass sie von Natur aus kräftiger gebaut war – so konnte sie es vielleicht noch ein paar Monate vertuschen. Sie waren bei Gott auf das Geld angewiesen.
Sandra hatte wohl nur widerwillig zugestimmt, Helen bei sich einziehen zu lassen, unter der Bedingung, dass ihr Sohn weiterhin die Rechnungen bezahlte. Sie wohnten an der Grenze zu Ealing in einer Doppelhaushälfte mit Rauputzfassade, drei Schlafzimmern und einem hübschen Garten. Bobs Vater hatte zu Lebzeiten das
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