Perlentöchter
bald, glaube ich.«
Sie nickte.
Ihr Vater sah auf seine Uhr. »Edna und ich sollten uns langsam auf den Weg machen. Wir werden zum Mittagessen erwartet.«
Helen blickte zu Geoffrey und sah, dass er genauso überrascht war wie sie. Keine zwei Stunden hatte ihr Besuch bei ihrem Vater gedauert, und es würde nicht einmal ein gemeinsames Essen geben. In ein paar Tagen kehrte er nach Borneo zurück, und dann würden sie ihn vielleicht wieder jahrelang nicht zu sehen bekommen.
»Mach dir keine Sorgen deswegen«, sagte Geoffrey während der Rückfahrt zu ihr. Sorgen? Sie war nicht besorgt. Nur verletzt. Und es machte die Sache auch nicht besser, dass Clives wöchentlicher Brief dieses Mal ausblieb.
Drei Wochen später, als immer noch keine Post von Clive gekommen war, überredete Maggy sie zu einer Party. »Das wird bestimmt lustig«, sagte sie. »Na los, komm schon.« Wieder eine Studentenparty in irgendeiner Wohnung. Helen wäre beinahe nicht mitgegangen, und als sie dort eintrafen, wusste sie sofort, dass sie besser zu Hause geblieben wäre. Unter den Gästen waren fast nur Paare, abgesehen von ein oder zwei Frauen, die auf der Stuhlkante saßen und verzweifelt hofften, dass der recht attraktive, große, blonde Mann, der, ein Glas Bier in der Hand, den Blick durch den Raum schweifen ließ, herüberkam und sie ansprach.
»Sie wollen schon gehen?«
Helen ärgerte sich, als der Blonde ihr den Ausgang versperrte. Wie konnte er es wagen, sich so etwas zu erlauben?
»Ja, das will ich. Verzeihen Sie.«
Er trat einen Schritt zur Seite. »Natürlich. Tut mir leid.« Er zögerte, und sie sah, dass das, was sie für Arroganz gehalten hatte, in Wirklichkeit Schüchternheit war. »Es ist nur so, dass ich jemanden suche, mit dem ich mich unterhalten kann. Ich kenne hier keinen und habe mir auch schon überlegt, ob ich gehen soll. Diese Medizinerpartys sind nicht wirklich etwas für mich. Tut mir leid. Es war nicht so gemeint. Bitte sagen Sie jetzt nicht, dass Sie ebenfalls Krankenschwester sind.«
»Eigentlich arbeite ich im Billy Smart Circus.« Die Lüge ging ihr so glatt über die Lippen, dass es unmöglich war, sie zurückzunehmen. Außerdem war es gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt, schließlich pflegte sie derzeit einen älteren Verwandten des berühmten Billy Smart.
Der Ausdruck in dem Gesicht des attraktiven Mannes war die Lüge jedenfalls wert!
»Wie außergewöhnlich. Und was machen Sie da?«
»Ich bin Trapezkünstlerin.«
Vielleicht war sie dieses Mal zu weit gegangen. Helen kicherte bei dem Gedanken, Maggy später diese Geschichte zu erzählen.
»Das ist in der Tat außergewöhnlich! Ich bin leider nur Ingenieur. Ziemlich langweilig. Sie haben nicht zufällig Lust, woanders hinzugehen und in Ruhe ein Glas zu trinken?«
Bob, so wurde er genannt. Die Abkürzung für Robert, aber jeder nannte ihn Bob. Bob Green. Helen kam damals automatisch der Gedanke, dass »Robert« besser zu Green passte als »Bob«, aber man konnte schließlich nicht den Namen eines anderen ändern, oder? Er lebte mit seiner Mutter am Rande von Ealing. Sein Vater war vor ein paar Jahren an einem Schlaganfall gestorben. Er war sieben Jahre älter als sie, war aber als angehender Ingenieur vom Kriegsdienst befreit gewesen. Sie unterhielten sich recht ungezwungen, und Helen war beeindruckt von der Anzahl der Bücher, die er gelesen hatte. Sein Vater war zur See gefahren, wo er viel Zeit zum Lesen hatte, und seine Begeisterung für Bücher hatte sich auf seinen Sohn übertragen.
Ob sie sich wiedersehen könnten? Helen dachte kurz an Clive und die Briefe, die aufgehört hatten zu kommen. Warum nicht?
In der folgenden Woche erhielt sie zwei Briefe. Der erste war von Clive, der sich dafür entschuldigte, dass er sich so lange nicht gemeldet hatte. Er erklärte dies damit, dass er an einen Ort verlegt worden sei, wo es unmöglich war, Post aufzugeben.
»Ach, wirklich?«, sagte Maggy während ihrer Zigarette nach dem Frühstück. »Manche Typen denken wohl, wir kaufen denen alles ab.«
Der zweite Brief war von Edna. Vater war auf Borneo gestorben. Das »Mittagessen«, zu dem er und Edna damals angeblich erwartet wurden, war in Wirklichkeit ein Termin beim Spezialisten, der bestätigte, was sie befürchtet hatten. Der Lungenkrebs, von dem Helen nichts geahnt hatte, war unheilbar.
An jenem Abend ging Maggy mit einem neuen Verehrer aus, und Helen lud Bob zum Essen in ihr Apartment ein, nachdem sie sich zuvor den neuen Film von Glynis
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