Perlentöchter
Was soll das heißen, sie ist von dir besessen? Was hat sie getan?«
Ihr Mann ließ sich mit geschlossenen Augen in die Couch zurücksinken. »Es ist furchtbar, Carrie. Du hast keine Ahnung, was für eine Erleichterung es ist, mit dir darüber zu sprechen.« Er sprach hastig, als würden die Worte darum kämpfen herauszukommen. »Vielleicht war es anfangs meine Schuld, weil ich zu freundlich war. Du weißt schon. Ich habe ihr alles gezeigt und in Ruhe erklärt, wie es bei uns läuft, zum Beispiel welche E-Mails beantwortet werden und welche nicht. Irgendwann kam sie nicht mehr mit, also habe ich sie zum Lunch eingeladen, um alles noch einmal detailliert mit ihr durchzugehen.«
Ein merkwürdiges Gefühl durchzuckte Caroline, das sie sofort verdrängte. Meine Güte, Caroline, ein Geschäftsessen ist schließlich nichts Besonderes. Nur weil du nicht dazugehörst, ist das kein Grund, es anderen zu missgönnen.
»Dann hat sie mich nach der Arbeit auf dem Handy angerufen, als ich auf dem Heimweg war. Sie hat mich gefragt, ob ich mit ihr essen gehe.«
»Abends?« Ein hässlicher Ruck ging durch sie hindurch. »Hat sie denn nicht gewusst, dass du eine Frau hast und Kinder?«
»Natürlich hat sie das gewusst, Liebling. Ich dachte, sie ist eben einsam, also …«
O Gott. »Du warst doch nicht etwa mit ihr essen, oder?«
»Nein. Aber dann, als sie wieder weg war – Maureen kam nach sechs Wochen wieder, falls du dich erinnerst –, fing sie an, mir E-Mails zu schicken. Sie schrieb, dass sie nie wieder einen Chef wie mich finden würde und ob ich sie nicht berücksichtigen könne, wenn etwas frei wird. Also habe ich ihr natürlich positiv geantwortet. Am nächsten Nachmittag stand sie draußen vor dem Büro und wartete auf mich.«
Das kam ihr irreal vor. »Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
Er hielt nach wie vor ihrem Blick stand. »Wie bereits gesagt, Liebling, ich wollte dich nicht beunruhigen.«
»Aber du hast es doch sicher gemeldet?«
Er nickte. »Ja. Ich habe sogar mit einem unserer Juristen aus der Rechtsabteilung gesprochen.«
»War das nicht ein wenig übertrieben?«
»Nein. Erinnerst du dich an Tim?«
Tim war ein Bekannter, der als stellvertretender Herausgeber bei einer anderen Zeitung gearbeitet hatte. Er war von einer Mitarbeiterin beschuldigt worden, der Vater ihres Kindes zu sein, und obwohl sich alles als reine Erfindung entpuppte, war sein Ruf beschädigt, und er hatte seinen Hut genommen.
»Man hat mir empfohlen, ihre Kontaktversuche zu ignorieren – in der Hoffnung, dass sie irgendwann aufhören.«
Caroline spürte, wie das Blut in ihr zu brodeln begann. Wer war diese Frau, die es wagte, ihren Mann zu belästigen? »Ich will mit ihr reden.« Sie sprang auf. »Ich will ihr sagen, dass ihr Verhalten unverschämt ist.«
»Nein, bitte nicht.« Simon stand nun neben ihr und zog sie eng an sich. »Ich muss mich an die Empfehlung der Rechtsabteilung halten, damit niemand Wind davon bekommt.«
Caroline nickte. Die Jahre hatten sie gelehrt, dass man vorsichtig sein musste, wenn die Menschen jeden Tag deine Kolumne lasen. Simon erhielt ständig Fanpost von Leserinnen, gewöhnlich einsame Frauen in einem bestimmten Alter, die behaupteten, sich in ihn verliebt zu haben, in sein leicht hängendes Gesicht, das ernst von der Zeitungsseite blickte und um Vertrauen warb. »Na schön.« Sie schmiegte sich in den Arm ihres Mannes und atmete den Zitrusduft seines Eau de Cologne ein, das sie ihm letztes Weihnachten geschenkt hatte. »Aber wenn sie noch mal anruft, bestehe ich darauf, dass du etwas unternimmst.«
Er drückte sie noch enger an sich. »Das werde ich. Es tut mir so leid, mein Liebling, dass du es auf diese Art erfahren musstest, und dann auch noch so kurz nach der Beerdigung.«
Zum Glück waren die Kinder nicht da, war alles, was Caroline in diesem Moment denken konnte. Seit diesem Gespräch vor fast zwei Wochen gab Simon sich große Mühe, ihr zu zeigen, wie sehr er sie liebte. Die kleinen Berührungen, wenn ihre Wege im Haus sich kreuzten, die sanften Küsse nachts, das entschlossene und manchmal derbe Liebesspiel, das sie zu ihrer eigenen Überraschung stark erregte, das alles schien dazu bestimmt, sie zu beruhigen. Und wenn sie ihn abends, wenn er nach Hause kam, eher mit Blicken als mit Worten fragte, ob diese Frau ihn wieder kontaktiert hatte, schüttelte er immer leicht den Kopf.
Glaubte sie ihrem Mann also wirklich?, fragte sich Caroline, als sie die schicke Praxis von Dr. M mit
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