Perlentöchter
Ecke und verharrte abrupt. In der Einfahrt standen zwei Fahrzeuge. Zwei Fahrzeuge, die sie nur allzu gut kannte.
Das eine gehörte Grace.
Und das andere Simon.
Erst jetzt fragte sie sich, ob sie Petunia von der anderen Sache hätte erzählen sollen. Von der schrecklichen Sache, die sie getan hatte und von der nur Großtante Phoebe und anscheinend auch Diana gewusst hatten.
46
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du früher kommst?«
Simon stand da, in der wunderbaren, großen, offenen Diele, während die Sonne durch das Fenster schien, als erwartete er, dass sie sich in seine Arme warf.
»Großspurig« hatte ihre Mutter ihn genannt, laut Diana. Warum hatte sie ihr das nie gesagt? Würde sie selbst es Scarlet sagen, wenn sie ihren neuen Freund unsympathisch fände? Wahrscheinlich nicht, wenn sie sichergehen wollte, dass ihre Tochter weiterhin mit ihr redete.
»Ich wollte dich überraschen.«
Er stand immer noch mit ausgebreiteten Armen da, aber sie ging einfach an ihm vorbei.
»Sei nicht so, Caro. Ich wäre schon früher gekommen, aber bei uns war die Hölle los, wie du dir bei den Schlagzeilen in dieser Woche sicher denken kannst. Der Premierminister ist weg und …«
»Das ist mir egal.«
Sie konnte ihn nun als das betrachten, was er wirklich war – was er wahrscheinlich immer gewesen war, auch wenn sie zu sehr mit den Kindern zu tun gehabt hatte, um es zu bemerken. Aber er war doch nicht immer so selbstgefällig gewesen, oder? Es schien noch gar nicht so lange her zu sein, dass er ein junger, leicht nervöser Reporter war bei einem Wochenblatt, das keiner kannte. Wann hatte er angefangen, sich zu verändern? Oder lag es an ihr?
Fast wie durch Zufall begann ihr Ehering zu jucken. Das tat er in letzter Zeit immer öfter, als wollte er ihr sagen, dass sie ihn abnehmen sollte, was sie noch nie getan hatte. Die Perlen hingegen schienen ihren Hals zum Glühen zu bringen, brennend vor Empörung.
»Du bist fremdgegangen, Simon!«
»Sch.« Er hielt sie nun an beiden Armen fest und zwang sie stillzustehen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er es bemerken würde. »Die Kinder werden gleich zurückkommen.«
»Wo sind sie überhaupt?«
»Deine Freundin Diana hat sie ins Kino geschickt, damit wir reden können. Eine smarte Frau für ihr Alter, nicht wahr? Diesen Eindruck hatte ich bereits bei unserer ersten Begegnung beim Leichenschmaus für deine Großtante.«
»Trauerfeier«, sagte sie kühl. »In unserer Familie nennt man das Trauerfeier.«
Simons Anpassungsfähigkeit an regionale Besonderheiten, wenn er sich davon Anklang bei seinem Publikum versprach, fand sie schon immer beunruhigend, und sie fragte sich, wer ihr Ehemann wirklich war – dieser Mann, der für unterschiedliche Leute unterschiedliche Dinge verkörpern konnte. Er hatte einen angeheirateten irischen Onkel, was ihm offenbar das Recht gab zu behaupten, er habe »irische Wurzeln«. Andererseits wiederum, wenn die Situation sich anbot, konnte er auch schottische Wurzeln haben durch eine angeheiratete Tante oder sogar walisische, da er an der University of Glamorgan studiert hatte.
»Caro!« Grace trat aus der Küche in die Diele, ein Weinglas in der Hand. »Das wurde auch Zeit!«
Caroline war verwirrt. »Ich habe dich nicht erwartet.«
»Hast du meine SMS nicht bekommen?«
»Nein, aber trotzdem schön, dich zu sehen.« Caroline ging auf ihre Schwester zu, um sie zu umarmen, aber Grace streifte nur leicht ihre Wange.
»Ich habe dir geschrieben, dass ich runterkomme, um das Collier zu holen. Schon vergessen? Du wolltest es mir borgen für den Ball, auf den ich eingeladen bin.«
Carolines Hand wanderte instinktiv an ihren Hals.
»Ich glaube, Sie haben da etwas falsch verstanden«, sagte eine Stimme in der Eingangstür. »Caroline macht normalerweise keinen Schritt ohne ihre Perlen, nicht wahr, meine Liebe?« Diana kam hereingerauscht, in einem seidenen Morgenmantel, der vorne mit türkisfarbenen Pfauen bestickt war. Er sah aus, als hätte sie ihn auf einem orientalischen Basar gekauft. »Und so«, fügte sie kühl hinzu, »sieht man sich wieder, Simon.«
Sie sprach seinen Namen mit genau der richtigen Prise Verachtung aus, und Caroline beobachtete nicht ohne eine gewisse Genugtuung, dass Simon zusammenzuckte.
Er streckte Diana die Hand entgegen. »Ja, in der Tat.«
Sie ignorierte seine Hand. »Ich habe schon einiges von Ihnen gehört.«
»Nur Gutes, hoffe ich.«
»Carrie!« In Grace brodelte es eindeutig. »Du kannst das mit den
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