Perlentöchter
Perlen doch nicht vergessen haben. Es ist ja nicht so, als würde ich sie verlieren, oder?«
Ihre Stimme klang bockig wie früher als Kind, wenn sie etwas wollte.
»Das ist also Ihre Schwester.« Diana sprach langsam, als könnte sie es nicht glauben. Sie musterte die beiden Frauen mit den unterschiedlichen Haarfarben, aber ähnlichen Gesichtszügen (dieselbe Nase, dieselben Augen), und nickte, als würde ihr plötzlich ein Licht aufgehen. »Natürlich. Jetzt verstehe ich. Ich glaube, wir sind uns kurz auf der Beerdigung begegnet.«
»Sind wir das?« Grace schenkte Diana ein schroffes Nicken, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Schwester richtete. »Bitte, sag nicht, du hast vergessen, dass du mir die Perlen leihen wolltest. Ich bin extra deswegen die ganze Strecke runtergefahren.«
»Was?«, ertönte plötzlich Scarlets Stimme. »Eigentlich hat Mum mir die Perlen versprochen, für den Ball morgen Abend an meiner alten Schule in London. Ich freue mich schon so darauf, meine ganzen Freunde von früher wiederzusehen.«
Etwas begann in Carolines Brust zu flattern. Sie wollte sich nicht von den Perlen trennen – sie fühlten sich an wie ein Teil von ihr. »Lieber nicht«, begann sie.
»Aber du hast es versprochen! Außerdem hast du gesagt, wenn du mal stirbst, kann ich sie haben …«
Grace mischte sich ein. »Und was ist mit mir? Wenn jemand die Perlen bekommen sollte, dann doch wohl ich. Ich fand es ziemlich unfair, dass ich mit einem blöden Köter und einem Telegramm abgespeist wurde, auch wenn der sich als ein alter Wettschein entpuppt hat, der ein bisschen was wert ist. Aber die Perlen wären mir lieber.«
»Ein bisschen was wert?«, fragte Simon.
Grace machte eine abfällige Geste. »Ich habe den Schein bei Bonhams schätzen lassen. Offenbar stammt er von 1897, was bedeutet, dass er Urgroßmutter Louisa gehörte.«
1897? Caroline war verwirrt. Laut Roses Tagebüchern führte ihre Mutter damals schon eine Art Einsiedlerleben. Aber wer sagte, dass Einsiedler nur Däumchen drehten? Wenn Louisa damals Freude daran hatte, ein Dienstmädchen loszuschicken und auf die Pferde setzen zu lassen, deren Jockeys Violett trugen, war das sicher etwas, wofür man dankbar sein sollte.
»Aber vergessen wir das.« Grace drückte ihre Zigarette in einer hübschen Untertasse aus, die ganz sicher kein Aschenbecher war. »Ich habe nicht viel Zeit, weil ich wieder nach London zurückmuss. Gib mir einfach die Perlen, Carrie. Ich verspreche, dass ich gut darauf aufpassen werde.«
»Keine von euch beiden bekommt sie.«
Zuerst dachte sie, die Worte wären aus ihrem eigenen Mund gekommen, aber dann wurde ihr bewusst, dass Diana gesprochen hatte. Die alte Dame wirkte beunruhigt und rang die Hände. »Das ist mir gerade erst klar geworden. Nun ergibt alles einen Sinn. Ihr dürft sie ihr nicht geben. Das hat Rose zum Schluss gesagt. Sie wollte, dass ich die Kinder nehme, falls ihr etwas zustößt, und ihre Schwester sollte die Perlen bekommen. Gebt sie Phoebe und nicht Helen.
Ich dachte, sie wollte zu ihrer Schwester großzügig sein, aber jetzt verstehe ich, dass sie versucht hat, ihre Tochter zu schützen. Sie müssen das Collier sofort abnehmen, Caroline. Wie konnte ich nur so dumm sein? Das hat sie gemeint. Genau das hat sie gemeint.«
Dianas Atem ging schneller, und sie wurde weiß im Gesicht, genau wie vor ein paar Tagen. »Sie fühlt sich nicht gut.« Caroline warf einen panischen Blick zu ihrem Mann. »Das hatte sie schon einmal. Gib mir dein Handy, Simon. Schnell. Ich rufe den Notarzt.«
»Nein.« Dianas Stimme klang entschlossen, während Grace sie behutsam zur Couch geleitete. »Ich will keinen Arzt. Haben Sie verstanden? Ich fühle mich bereits besser.«
Caroline zögerte. Tatsächlich bekam die alte Dame wieder Farbe im Gesicht. Vielleicht würde es ihr nicht gut bekommen, wenn Caroline sofort auf einem Arzt bestand – vielleicht war es besser, einen Termin für morgen vorzuschlagen. Sie wollte Simon gerade sein Handy zurückgeben, als es piepte. Automatisch sah sie auf das Display.
»Ich Dich auch. HASE . Wann kommst Du wieder? Tessa x«
»Du Schwein!«
Sie schleuderte das Handy nach ihm, aber er duckte sich, und es prallte von der Wand ab und zersplitterte auf dem Boden.
»Was ist denn los?«, fragte Scarlet mit angespanntem Gesicht. Sie durfte es nicht erfahren, wurde Caroline bewusst. Sie durfte nicht wissen, dass ihr Vater fremdging, oder ihr Leben würde aus der Bahn kippen wie ihr eigenes
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