Perlentöchter
selbst keinen Anspruch auf die Perlen erhob. Ich fürchte, Phoebe hatte immer das Gefühl, eine ungeliebte Schwester zu sein. Sie hat immer wieder von dieser Geschichte mit dem Pony angefangen, bei der ich, offen gesagt, automatisch abgeschaltet habe. Ich war damals mit Rose befreundet. Phoebe war in meinen Augen ziemlich verwöhnt.«
Dianas strahlend blaue Augen hatten sich lächelnd auf Caroline gerichtet. »Und nun, wie wäre es mit einem zweiten Gin Tonic, bevor mein Zug nach London fährt?«
Im Nachhinein wünschte Caroline, sie hätte weitergebohrt. Es war ihr letztes Gespräch mit Diana, die einen Monat später friedlich im Schlaf starb. Ihr Haus vermachte sie Caroline, zusammen mit einem kleinen Abschiedsbrief, in dem stand, dass Caroline für sie fast wie eine eigene Tochter gewesen sei. So hatte Caroline daraufhin dankbar das Haus zu ihrem Eigen gemacht und nur ein paar Sachen aus dem alten Haus in London behalten, bevor sie es verkaufte.
»Am besten, du fängst ganz neu an«, hatte Grace in einem überraschend mitfühlenden Ton gesagt, ohne jede Spur von Neid, weil Diana ihrer Schwester das Haus hinterlassen hatte. Also fing sie neu an. Sie ließ die Böden bis auf das Original-Kiefernholz abschleifen, über das sie anschließend bunte handgeknüpfte Läufer aus einem Geschäft am Ort legte. Außerdem ließ sie die Wand zur Speisekammer entfernen, um aus der kleinen Küche einen großen Familienraum zu machen mit Blick auf das Lavendelbeet, das sie selbst angelegt hatte. Das Wohnzimmer, für das sie Chintzvorhänge in einem wunderbaren Second-Hand-Laden fand, den sie zufällig entdeckte, richtete sie mit den Chesterfield-Sofas aus London ein, den Kissen, die sie selbst mit Siebdruckfarbe verschönert hatte, ihren Bildern und den paar Habseligkeiten, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte, wie die Holzfiguren aus Borneo für den Kaminsims, die ihre Großmutter nach England mitgebracht hatte. Manchmal nahm Caroline sie in die Hand und strich über das glatte Holz, während sie sich vorzustellen versuchte, wie ihre Großmutter sich wohl gefühlt hatte in einem so fremden Land fernab der Heimat.
»Hi! Wir sind wieder da!«
Man hörte das Klirren des Hausschlüssels und das Poltern von Turnschuhen, die auf dem Holzboden in der Diele landeten, wo sie zweifellos darauf warteten, dass der Nächstbeste darüberstolperte.
»Ich komme gleich!«, rief Caroline aus ihrem Atelier oben. Nun drang das Geräusch der Kühlschranktür, die geöffnet und wieder zugeschlagen wurde, zu ihr hoch, und sie musste lächeln, weil sie genau wusste, was sie taten. Es war ein tägliches Ritual. Ihre Jungs, die jedes Mal mit einem »Mega-Kohldampf« von der Schule kamen, suchten nach etwas Essbarem, bevor sie an den Strand gingen, während die Hausaufgaben dann abends erledigt wurden. Oliver und Charlie waren inzwischen zu kräftigen jungen Burschen herangewachsen, die sich auf der höheren Schule im Ort pudelwohl fühlten. Nach dem Unterricht verbrachten sie Stunden im Kajak oder auf dem Surfbrett oder am Strand, um zu grillen, im Gegensatz zu den Kindern ihrer Freundinnen, die ständig vor dem Computer klebten. »Das Schöne an diesem Leben hier ist«, sagte sie zu Grace bei einem ihrer regelmäßigen Telefonate, »dass die Leute zwar tagsüber hart schuften, aber wissen, wann sie aufhören müssen. Und danach gehen alle an den Strand, um sich zu erholen.«
Manchmal fragte Caroline sich, warum die Kinder nicht stärker um ihren Vater trauerten. Lag es daran, dass er kaum präsent war, als sie aufwuchsen, oder würde es sie erst später einholen, wenn sie älter waren? Etwas, auf das sie achten musste, aber noch nicht jetzt. Lebe für den Augenblick. Das hatte sie dieser friedliche und trotzdem unvorhersehbare Ort gelehrt. Lebe für den Augenblick, und schau nicht zurück.
»Es ist jetzt verpackt.« Grants tiefe Stimme neben ihr im Atelier riss sie aus ihren Gedanken.
Sie spürte einen angenehmen Schauer über ihren Rücken rieseln, von der Sorte, die sie manchmal empfand, wenn sie eine Auftragsarbeit beendete und mit dem Ergebnis zwar zufrieden war, aber trotzdem von jemandem eine Bestätigung brauchte. Aber dieses Werk war anders. Anders als alles, was sie bisher gemacht hatte. So anders, dass sie beim Malen gleichzeitig geschwitzt und gefroren hatte. Manchmal hatte sie gar nicht gewusst, woher die Striche kamen – es war, als würde jemand ihre Hand führen und ihren Pinsel in die unterschiedlichen Farben für sie tauchen.
Weitere Kostenlose Bücher