Perlentöchter
sie an Deck geöffnet hatte, gleich nachdem das Schiff von England abgelegt hatte. »Charles trifft keine Schuld. Er wusste vor unserer Abreise nichts von dem Collier. Genauso wenig wie ich. Es ist ein Geschenk meiner Mutter.« Sie schluckte hart. Was würde sie dafür geben, dass ihre Mutter in diesem Moment hier sein könnte, auch wenn sie zu Hause immer eine recht unnahbare Gestalt war.
»Nun ja.« Celia berührte sie leicht am Arm, als wollte sie ihr Mitgefühl ausdrücken. »Das ist nur eins der vielen Dinge, an die Sie sich hier gewöhnen müssen, fürchte ich. Und Sie dürfen sich wegen Charles keine Sorgen machen. Ich nehme an, er hat momentan genug zu tun bei diesem ganzen Ärger.«
Ärger?
»Hat er Ihnen nichts gesagt?«
»Mir was gesagt?«
»Ach du liebe Zeit, ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen das verraten darf. Vielleicht sprechen Sie ihn besser nicht darauf an, wenn er selbst nichts davon erwähnt hat. Männer wie Charles haben es nicht gern, wenn man sie für Trottel hält.«
Das alles war sehr mysteriös. Charles für einen Trottel halten? Das war sicher unmöglich. Soweit Rose das beurteilen konnte, schien hier jeder großen Respekt vor ihrem Ehemann zu haben. Die Männer im Club bewunderten ihn und lachten über seine Witze, während die Blicke der Frauen ihm auf eine Art folgten, die Rose das Gefühl vermittelte, als stünde ihr ein solcher Preis nicht zu. Entgegen Celias Rat versuchte sie, eine Gelegenheit abzupassen, um Charles zu fragen, ob etwas nicht stimmte, aber es ergab sich einfach keine. Er war in der vergangenen Woche kaum zu Hause gewesen, und wenn er nachts in das Bett stieg, mit einer Whiskyfahne nach einem langen Tag draußen auf der Plantage, fiel er rasch in tiefen Schlaf, ohne vorher zu fragen, ob das Collier wieder aufgetaucht sei.
Tatsächlich, dachte Rose, während sie den Blick über die Tischgesellschaft schweifen ließ, war dies das erste Mal, dass sie gemeinsam ausgingen, wenngleich seine angespannte Miene unter zusammengezogenen Augenbrauen andeutete, dass er nicht dieselbe Erleichterung wie sie darüber spürte, Zeit in Gesellschaft zu verbringen. Andererseits saß er nicht den ganzen Tag in dem Lager fest wie sie. Wie seltsam, dass die riesige Landfläche um sie herum ihr noch stärker das Gefühl vermittelte, eingesperrt zu sein, als ihr Elternhaus mit Phoebes kühler Feindseligkeit und der Gleichgültigkeit ihrer Mutter.
»Dann hast du deine Uhr also wieder?«, bemerkte jemand zu Charles. »Ich hoffe, das war es wert!«
Der Tisch brach in schallendes Gelächter aus. Rose blickte verwirrt zu ihrem Mann. Welche Uhr? Und warum war es das wert oder nicht? Seine Augenbrauen sahen nun aus, als wollten sie in seinem Haaransatz verschwinden. Kein gutes Zeichen, wie Rose in den letzten paar Wochen gelernt hatte.
Charles erwiderte kurz etwas, aber sie konnte ihn über die erhobenen Stimmen hinweg nicht verstehen. Es war wie bei einem Klavierkonzert, wenn Stimmen in verschiedenen Tonhöhen sich in einem Meer aus Zigarrenrauch (die Männer) und Zigarettenrauch (die Frauen) hoben und senkten. In der Tat schienen alle Frauen hier diese schmalen schwarzen Röhrchen zu halten, in die die Zigaretten gesteckt wurden. Rose hatte dankend abgelehnt, weil sie den Geruch nicht mochte.
»Sagen Sie mir, meine Liebe, wie kommen Sie denn mit Ihrem neuen Leben zurecht?«
Die Frage kam von einer matronenhaften Frau, die sich im Club bislang ausgesprochen distanziert und kühl verhalten hatte. Ihr Vater, wie Celia Rose zuvor zugeraunt hatte, war ein englischer Baronet, sodass Rose begann, zu erröten und verlegen zu stammeln. »Es ist höchst interessant. Ein richtiges Abenteuer.«
Die Augen der Tochter des Baronets wurden schmal. »Interessant? Gewiss. Ein Abenteuer? Auch das, besonders da Sie einen der attraktivsten Männer auf Borneo geheiratet haben. Aber ich nehme an, Sie versuchen mit Ihren Worten etwas anderes zu sagen. Leiden Sie vielleicht an Heimweh?«
Am Tisch war eine Gesprächspause entstanden, was bedeutete, dass anscheinend jeder auf ihre Antwort wartete, auch Charles, der sie mit einem Ausdruck fixierte, den sie nicht richtig zu deuten wusste.
»Ganz und gar nicht.« Rose lächelte über den Tisch hinweg, um das unbehagliche Gefühl zu verbergen, das sich in ihr breitmachte. »Mein Mann tut alles, um mir die Eingewöhnung zu erleichtern.«
Ein lautes Lachen ertönte am anderen Tischende, begleitet von einem weiblichen Kichern. Hatte sie etwas Falsches gesagt?
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