Perlentöchter
anfühlte.
Vorsichtig nippte sie an dem Glas, das Celia ihr gerade eingegossen hatte. Es enthielt definitiv mehr als nur Limonensaft, aber Rose fand Gefallen daran, wie es sie von innen wärmte. Innerhalb von wenigen Minuten, oder zumindest kam es ihr so vor, kehrte ihre Freundin zurück und wedelte mit einem blau-weißen Tupfenkleid, das sie vor Roses Körper hielt. »Perfekt!« Sie klatschte in die Hände, als habe sie es aus dem Nichts hervorgezaubert, wie der Magier, den Rose und Grace als Kinder bestaunt hatten, bevor Phoebe auf der Welt war.
»So, zuerst waschen wir Ihre Haare im Waschbecken, und dann können wir richtig loslegen. Wenn alles nach Plan läuft, werden wir zum Mittagessen im Club sein. Ich kann es gar nicht erwarten, die Gesichter zu sehen!«
Es waren nicht nur alle Gesichter, die sich im Club nach Rose umwandten, es war auch das von Charles. Seinen neugierig gewölbten Augenbrauen und seinem nicht unerfreuten Lächeln nach zu urteilen, erkannte er Rose genauso wenig wie sie sich selbst, als Celia ihr das Endergebnis im Spiegel präsentiert hatte, bevor sie sich zum Club aufmachten. Nicht nur war ihr Haar nun kürzer und lockiger durch eine Dauerwelle, wie Celia ihr erklärt hatte, auch war das gepunktete Kleid weitaus angemessener als der schwere Rock mit der Bluse, die sie aus England mitgebracht hatte. In der Tat, lag es an ihrer Einbildung, oder dachte Charles wirklich, eine Fremde beträte den Raum und nicht seine eigene Frau? Falls ja, hatte er jedenfalls kein Recht, sie so anzustieren.
»Guten Morgen«, sagte Rose gefasst, während ihre Wange über seine rauen Bartstoppeln streifte. »Ich habe nicht erwartet, dich hier anzutreffen.« Sie trat einen Schritt zurück und kam sich vor, als spielte sie eine Rolle, so wie sie, Grace und Lydia damals im Unterricht Theaterstücke einstudiert hatten. »Ich dachte, der Kautschuk duldet keine Mittagspause.«
Einer der Männer, die an der Bar lehnten, lachte laut und erntete prompt einen Rippenstoß von einer älteren Frau, die neben ihm stand und Rose unbekannt war. Die Frau kam nun mit ausgestreckter Hand auf sie zu. »Sie sind also die Braut! Mein Name ist Daff. Ich hoffe sehr, Sie haben morgen Abend noch nichts vor.« Sie blickte zu dem Mann, der gelacht hatte. »Mein Mann und ich erwarten am Wochenende ein paar Gäste. Sie beehren uns doch auch, nicht wahr? Wir sind alle gespannt darauf, was in der Heimat so passiert.« Sie stieß einen Stoßseufzer aus. »Mein Gott, wir vermissen England, obwohl ich bezweifle, dass einer der Männer hier in einem normalen Beruf zurechtkommen würde.«
»Das reicht, Daff.« Der Mann hatte aufgehört zu lachen und legte nun seiner Frau die Hand auf die Schulter. »Du kannst das arme Mädchen doch nicht gleich so überfallen. Sie wird noch lange genug hier sein.« Er zwinkerte. »Nicht wahr, meine Liebe?«
Später klärte Celia sie auf. »Daff ist Gus’ zweite Frau. Die erste starb im Wochenbett hier unten. Darum gehen wir alle zurück in die alte Heimat, um unsere Kinder zur Welt zu bringen.«
Rose dachte an die lange Überfahrt nach Borneo, ganz zu schweigen von der Fahrt in den Club, wieder einmal in einer von Männern gezogenen Kutsche und in einem Boot über den Fluss, und wunderte sich über die praktische Umsetzbarkeit. Celia stupste sie an. »Daff ist ein fürchterlicher Snob. Anscheinend ist sie mit irgendeinem Grafen verwandt. Aber sie ist ziemlich unterhaltsam, und außerdem veranstaltet sie wundervolle Bridge-Partys. Wir müssen Ihnen unbedingt ein paar Sachen zum Anziehen besorgen und auch ein paar Stoffe auf dem Markt. Keine Sorge, ich kenne eine Frau, die kann in null Komma nichts Kleider nähen.« Sie blickte auf Roses Hals. »Reizendes Collier. Die Perlen sind echt, nicht wahr?«
Rose fasste an ihren Hals. Sie hatte sich an die Perlen gewöhnt, so sehr, dass ihr hin und wieder bewusst wurde, dass sie vergessen hatte, sie zu berühren, um zu überprüfen, ob sie noch da waren. »Sie haben meiner Mutter gehört. Und davor der Mutter meines Vaters.«
Celia nickte zustimmend. »Sie werden sicher über Ihre Familie ausgefragt werden. Frisches Blut ist hier unten immer willkommen, besonders wenn es von altem Geldadel stammt.«
Frisches Blut?
»Neuigkeiten, Darling. Alles über England. Verstehen Sie nicht? Wir hungern danach, obwohl keiner von uns zurückgehen würde, außer es gäbe etwas zu erben. Keine Sorge, Sie werden genauso sein, bis die nächste Braut auftaucht.« Sie stieß ein
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