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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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umbringen!«
    Beide erstarrten, mit versteinerten Mienen. Dann hörte man das Geräusch von schnellen Schritten: Jemand lief die Treppe hoch. Wahrscheinlich eins der Dienstmädchen. Dann das nächste Geräusch. Nämlich von den Perlen, die auf den Boden fielen, wo ihr Vater sie hingeschleudert hatte. Und dann kam ein Hausmädchen herein.
    »Sei so gut und heb das Collier auf«, sagte ihr Vater in ruhigem Ton. »Meiner Frau ist anscheinend versehentlich die Kette gerissen. Sie muss sofort zur Reparatur gebracht werden, damit sie sie morgen Abend zu dem Ball anziehen kann.«
    Die Wände kamen nun ganz nah, und eine kalte Klinge schnitt über ihren Kopf. »Die Perlen«, versuchte sie zu sagen. »Phoebe. Gebt sie Phoebe. Nicht Helen. Hört ihr mich? Ich sagte, hört ihr mich?«

Caroline
    Juli 1997

24
    Bestürzt las Caroline erneut das Datum des letzten Tagebucheintrags ihrer Großmutter.
    »Ich muss nächste Woche ins Krankenhaus. Ich weiß nicht, was passieren wird, aber in Zeiten wie diesen muss man zuversichtlich bleiben.«
    »Dezember 1941?« Caroline konnte nicht verhindern, dass sie es laut ausrief, zum leichten Befremden eines Touristen, der über den Kiesstrand stapfte, vorbei an dem grauen Felsen, der mit braunen Flecken und Flechten übersät war und neben dem sie ihr gestreiftes Handtuch ausgebreitet hatte. Sie nahm die Sonnenbrille ab und trank einen Schluck aus der Wasserflasche. »Kurz darauf ist sie gestorben.« Unfähig, sich zu bremsen, redete sie weiter laut mit sich selbst. Der Tourist warf ihr einen sonderbaren Blick zu und huschte rasch weiter, während eine Möwe über ihnen kreischte, als lachte sie über die Absurdität des Ganzen. »Da sind Mummy und Frank zu Tante Phoebe gekommen.«
    Ein kalter Schauer lief Caroline über den Rücken, während sie den letzten Tagebucheintrag ihrer Großmutter nochmals las. » Der Arzt sagt, ich muss für die Operation wieder ins Radcliffe. E kriegt keinen Urlaub, kommt aber so bald wie möglich. Immer noch nichts Neues von Charles. Habe Geoffrey und Roger schriftlich benachrichtigt, möchte aber die beiden Kleinen nicht beunruhigen.«
    Wer war E? Die beiden Kleinen waren vermutlich Helen, Carolines eigene Mutter, und Onkel Frank, die damals wie alt waren, vierzehn und vier? Würde sie es, fragte sich Caroline, während sie das Tagebuch sorgfältig in ihrer Strandtasche verstaute, den Zwillingen sagen, wenn sie schwer krank wäre? Und warum ins Radcliffe? Das war in Oxford, wie sie wusste, nachdem sie eine Freundin besucht hatte, die dort lag.
    Es war alles so eigenartig. Ihre Großmutter lebte damals in Woking und pendelte zur Arbeit nach London, was wohl ungewöhnlich war zu jener Zeit, auch wenn Frauen während des Kriegs zu Arbeiten herangezogen wurden. Warum war sie also nach Oxford in ein Krankenhaus gegangen?
    Onkel Geoffrey war damals sicher noch zu jung, um die Antwort zu kennen, und Duncan war schon lange tot. Caroline hätte ihre Großtante fragen sollen, als sie noch die Gelegenheit dazu hatte, aber nun gab es nur noch eine Person, die ihr vielleicht helfen konnte. Sie kramte in ihrer Tasche nach dem Handy (dieses Durcheinander!) und wählte die Nummer.
    Diana traf am folgenden Wochenende ein, wieder mit einem auffälligen Turban – dieses Mal in Rubinrot – und einer sehr eleganten hellblauen Ledertasche mit echtem Gucci-Label. Die Kinder waren die ganze Woche in einem Freizeitcamp gewesen, was den wundervollen Effekt hatte, dass sie nach einem vollen Tagesprogramm mit Cricket und Beachtennis und Surfen und Gott weiß was noch allem abends müde waren. Selbst Scarlet, die sich zunächst für zu alt für das Camp erklärt hatte, war inzwischen sehr davon angetan, was zweifellos mit dem einen oder anderen gut aussehenden Jungen zusammenhing, den Caroline gesehen hatte, als sie die Kinder absetzte. Abends stolperten sie mit roten Wangen zur Tür herein und sahen viel gesünder aus als zuvor, aber zur Schlafenszeit kam immer die unvermeidliche Frage: Wo war Dad? Warum war er nicht mitgekommen?
    Selbst Scarlet wirkte beunruhigt, obwohl sie sich seit Jahren ihrem Vater gegenüber distanzierter verhielt als die Jungs. Dies lag vermutlich an seiner häufigen Abwesenheit und daran, dass er, wenn er da war, im Garten mit den Zwillingen Fußball spielte. »Vielleicht sollten Sie den Kindern die Wahrheit sagen«, sagte Diana, als sie schließlich in dem kleinen Wohnzimmer ihrer Gastgeberin Platz nahmen, das Rose nach ein paar Wochen fast als ihr eigenes

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