Perlentöchter
es zu spät war und die Eltern nicht mehr lebten?
»Und war ihre Ehe, also die von Rose, so unglücklich, wie sie sie in ihren Tagebüchern beschreibt?«
Diana nahm eine Zigarette aus ihrer Tasche und steckte sie auf einen schwarzen Halter. »Es stört Sie doch nicht, meine Liebe? Ich fürchte ja. Aber wer kann sagen, was passiert wäre, wenn sie mit Edward weggegangen wäre? Man kann zwar annehmen, dass es funktioniert hätte, aber es war alles so unsicher in jenen Tagen.«
Dann war Edward also der geheimnisvolle »E«!
»Ein sehr netter Mann.« Diana blies eine blaue Rauchwolke in die Luft. Offenbar war sie es nicht gewohnt, zum Rauchen an die frische Luft zu gehen, aber Caroline fand es unhöflich, etwas zu sagen. »Er ging zur Marine, wissen Sie. Dort haben sie jede medizinische Unterstützung gebraucht, die sie für die Verwundeten kriegen konnten.« Ihre glänzenden blauen Augen nahmen wieder einen verträumten Ausdruck an. »Er hat Ihre Mutter absolut vergöttert, und sie ihn.«
Caroline bekam eine Gänsehaut. »Aber sie hätte doch die Kinder … meine Mutter niemals im Stich gelassen?«
Diana griff nach ihrer Hand und drückte sie. »Natürlich nicht, meine Liebe. Edward bestand darauf, dass sie die Kinder mitbrachte. Aber dann … dann starb sie unvermittelt.«
»An einem Hirntumor.« So viel wusste Caroline. Als Kind hatte sie es nicht so schrecklich gefunden, wenn ihre Mutter darüber sprach, aber nun, als Erwachsene, kam es ihr vor wie eine Tragödie. Was würde aus ihren drei Kindern werden, wenn sie sterben müsste? Caroline konnte sie nebenan in Dianas gemütlicher Küche vor dem Computer streiten hören, den sie dort aufgebaut hatte, damit sie ein Auge darauf haben konnte. Die Kinder würden sich gegenseitig die Köpfe einschlagen, wenn sie nicht mehr da wäre und aufpassen würde. Oder, wie schrecklich, sie würden von Simon und seiner Freundin erzogen werden.
»Meine Großmutter hat sicher große Angst davor gehabt, dass Edna ihre Kinder großzieht«, wurde ihr plötzlich bewusst.
Diana nickte. »Das hat ihr tatsächlich Sorgen bereitet. Sie hatte auch große Angst, dass Ihr Onkel Roger sich freiwillig zum Kriegsdienst meldet. Er musste ihr versprechen, das nicht zu tun. Wie Sie vielleicht wissen, hat er sich nach ihrem Tod nicht mehr an dieses Versprechen gebunden gefühlt.« Sie schüttelte den Kopf. »Es war eine schreckliche Zeit für uns alle. Ich kann mich noch sehr deutlich an ihre Beisetzung in dieser entzückenden kleinen Kirche auf einem Hügel außerhalb von Oxford erinnern. Sie wurde dort operiert, weil die Klinik auf Tumore spezialisiert war, wissen Sie.«
Während Diana erzählte, stieg in Caroline eine dunkle Erinnerung hoch an einen kalten, windigen Tag, als ihre Mutter mit ihr zu einem Friedhof gefahren war und sie erfuhr, dass ihre Großmutter dort begraben lag. Caroline hatte in der Nacht dann einen Albtraum gehabt, aber niemandem etwas davon gesagt. Nach dem Tod ihrer Mutter fand sie einen Brief, in dem Helen den Wunsch äußerte, neben Rose beerdigt zu werden. Aber das Grab von Carolines Großmutter war nicht mehr zu finden. Ein Gemeindevorsteher erklärte ihr, dass es während des Kriegs üblich war, auf einen Grabstein zu verzichten. So erhielten sie die Genehmigung, einen Grabstein für beide aufzustellen, auch wenn darunter nur die Asche ihrer Mutter ruhte. Die Überreste ihrer Großmutter lagen irgendwo auf dem alten Friedhof gegenüber, zweifellos überwuchert von Dornengestrüpp, das Caroline stundenlang auf der Suche nach dem Grab ohne Erfolg durchforstet hatte. Obwohl sie sogar den Presseaufsichtsrat anschrieben und um Hilfe baten, konnte ihnen niemand Auskunft geben. Sie erfuhren lediglich, dass es wohl früher einmal einen Friedhofsplan gegeben habe, der jedoch während einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen dem ehemaligen Pfarrer und einem anderen Geistlichen in Fetzen gerissen worden war.
Dianas Stimme unterbrach Carolines Gedanken. »Ich wollte Ihre Mutter zu mir nehmen, wissen Sie? Und auch Frank.«
»Ja?«
Diana lächelte, und dieses Mal waren ihre Falten recht deutlich zu sehen. »Aber Ihre Großmutter hatte bereits ihre Schwester gefragt. Sehen Sie, Phoebe konnte keine eigenen Kinder bekommen, so wie ich, wie sich später herausstellte, was einer der Gründe war, warum Phoebe und ich in Kontakt geblieben sind. Wir hatten nämlich etwas gemeinsam, auch wenn das zu dieser Zeit kein Thema war, über das groß geredet wurde. Wir mussten einfach
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