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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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im nächsten Monat zu sehen. Wie läuft es in Griechisch?
    Liebe Grüße von Mama
    Liebe Mama,
    willst du dich etwa drücken? Ich habe letzte Woche versucht, mich mit Kopfschmerzen vor Griechisch zu drücken, aber es hat nicht funktioniert. Wenn du nächsten Monat kommst, vergiss bitte nicht meine Süßigkeiten!
    Alles Liebe von Geoffrey
    Sie wurde durch einen Flur gerollt, einen langen, grauen Flur, der sie an das Lazarett erinnerte, in das ihr Vater sie vor all den Jahren mitgenommen hatte, um Duncan zu besuchen. Hätte er das nicht getan, wäre sie Charles nie begegnet. Und dann hätte sie nicht die Kinder.
    Hätte sie etwas anders gemacht? »Alles hat seinen Zweck«, sagte Edward gern. Als Arzt musste er so denken, oder er würde wahnsinnig werden, wie er selber sagte. Aber in Wirklichkeit, das wusste sie, meinte er damit, dass er machtlos war, um ihr zu helfen. »Ich hätte merken müssen, dass etwas ernsthaft nicht stimmt«, warf er sich immer wieder vor, nachdem sie ihm von der bevorstehenden Operation geschrieben hatte. »Ich hätte darauf bestehen müssen, dass du dich früher untersuchen lässt.«
    Es werde alles wieder gut, antwortete sie ihm, genau wie sie es den Kindern gegenüber herunterspielte. »Ich bin bald wieder da«, sagte sie zu Helen und küsste sie zum Abschied, während sie den kleinen Frank an sich drückte und seinen erdigen Geruch einatmete, nachdem er draußen im Garten gespielt hatte. Dabei sah sie über seine Schulter zu der großen, hochmütigen Geliebten ihres Mannes mit ihrer aufrechten Haltung, der üppigen Oberweite und dem billigen hellrosa Lippenstift. Sie blickte der Frau direkt in die Augen, und die leichte Edna, wie Phoebe sie nannte, wandte den Blick ab. Ich weiß, dass du eine Affäre mit meinem Mann hast, sagten Roses Augen. Und nur weil ich einen anderen liebe, macht es das nicht wieder gut. Für keine von uns.
    Was Charles betraf, hatte Rose überlegt, ob sie ihn benachrichtigen sollte, aber jedes Mal, wenn sie versuchte, das zu schreiben, was sie wirklich fühlte, kam etwas Falsches heraus. Also ließ sie es sein. Sollte er es doch selbst herausfinden, falls und wenn er aus dem Krieg zurückkehrte. Zum Teil wünschte sie sich nun, dass er unversehrt wiederkam. Die Kinder brauchten einen Elternteil.
    Die Narkose begann nun offenbar zu wirken. Die langen grauen Flurwände schienen aufzuleuchten und wieder zu erlöschen. Edward hatte ihr zuvor diesen Effekt erklärt. Genau wie ihr Arzt. Die Operation war erforderlich, um das Geschwür in ihrem Kopf zu entfernen, das die Migräne verursachte und Rose benommen machte und auf der Treppe stolpern ließ. Mit etwas Glück würde es schon gut gehen. Es musste gut gehen. Menschen durften im Krieg durch Bomben umkommen, weil das einfach Pech war. Aber es gab keinen Platz für gewöhnliche Krankheiten, nicht in außerordentlichen Zeiten wie diesen. Das gehörte sich einfach nicht.
    Die Wände rückten nun näher, und sie konnte Graces Stimme hören. Plötzlich war sie wieder ein Kind, das versuchte, die komplizierten weißen Knöpfe an seinem Kleid einzufädeln, damit Ga Ga es malen konnte. Nun war sie sogar noch jünger. Sie spürte, dass sie in ihrem Kinderwagen kämpfte und eine kühle Hand sich auf ihre Stirn legte, als wollte sie sie beruhigen. Aber das war nicht gut. Ihre erste Erinnerung, die, die sie der Borneo-Gesellschaft in ihrem Erzählspiel vorenthalten hatte, kehrte zurück. »Verschwinde!«, rief sie, und die kühle Hand strich ihr wieder über die Stirn.
    Sie war da. An der Tür, halb hinter dem Vorhang versteckt. Ihr Vater trug den dunklen Rock, den er immer zu seinen Patientenbesuchen anzog. Ihre Mutter stand vor ihm und schrie.
    »Nimm sie«, tobte sie. »Nimm sie. Ich möchte nichts mehr mit dir oder dieser elenden Amerikanerin zu tun haben.«
    Man hörte ein leises Schnappen, als ihre Mutter sich die Perlenkette vom Hals riss und nach ihrem Vater warf. Er fing sie auf, und sein Gesicht verdüsterte sich, sodass Rose, dem Kind, der Atem stockte. Er näherte sich ihrer Mutter, die Perlen in den ausgestreckten Händen, und zuerst dachte sie, er wolle sie ihr nur zurückgeben. Aber gleich darauf stieß ihre Mutter ein leises Röcheln aus. Rose spähte vorsichtig hinter dem Vorhang hervor und sah, dass ihr Vater die Perlen um den Hals ihrer Mutter gelegt hatte und fest zuschnürte. Das Gesicht ihrer Mutter war rot, und sie gab seltsame, röchelnde Laute von sich.
    »Papa!«, schrie Rose. »Du darfst Mama nicht

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