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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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mit der Begründung abgelehnt, er habe das alles schon einmal mitgemacht und wisse, was er benötigte. Kurz darauf hatte sie gehört, dass Edna ins Schlafzimmer ging und ihm statt ihrer half. Rose konnte sich kaum überwinden, zum Abschied seine Wange zu streifen.
    Eine Woche später, als eine gehorsame Edna die Kinder zu einem Spaziergang mitgenommen hatte, klopfte es an der Tür. Rose, die gerade damit fertig geworden war, ihre Haare zu färben, nahm an, dass Edna etwas vergessen hatte. Aber es war jemand anderes.
    »Edward?«, stieß sie ungläubig hervor.
    Er sah so anders aus! Seine Haut war immer noch gebräunt – tatsächlich wusste sie aus seinen Briefen, dass er Borneo erst im vorigen Monat verlassen hatte. Allerdings war er schmaler geworden und sein Haar kürzer. Es war beinahe, als würde sie in das Gesicht eines Wildfremden blicken, allerdings eines, den sie besser kannte als ihren Ehemann.
    Im Gegenzug erwiderte er nichts. Stattdessen trat er einfach ein und schloss die Tür hinter sich. »Ist sonst noch jemand hier?«, fragte er leise, und sie schüttelte den Kopf. Bevor sie die Chance hatte zu reagieren, stöhnte er leise auf wie unter Schmerzen, umfasste mit der Hand ihren Hinterkopf und zog sie an sich. Seine Lippen waren so weich und hart zugleich. Ihr Aufeinandertreffen war, wie sie sogar in jenem Augenblick dachte, so richtig, so absolut richtig, als hätten sie sich bereits zuvor geküsst. Es schien, als würde der Kuss niemals aufhören – sie wollte das auch nicht.
    »Was geschieht jetzt?«, fragte sie, als sie sich schließlich voneinander lösten.
    »Ich habe Räumlichkeiten in London gemietet«, antwortete er. »Denkst du, das lässt sich machen?«
    Und sie nickte und erzählte ihm von ihrer neuen Stelle.
    Fast ein Jahr lang gelang es ihnen, sich heimlich zu treffen. Unter der Woche arbeitete Rose im Kaufhaus, wo sie bald zur Abteilungsleiterin befördert wurde. Sie freundete sich dort mit einer wesentlich jüngeren Frau aus Richmond an, die sie an sie selbst erinnerte in einem anderen Leben, und es dauerte nicht lange, bis sie sich ihr anvertraute.
    »Denkst du jetzt schlecht von mir?«, fragte sie Diana Barton eines Tages, als sie Seidenbahnen in herrlichen Farben aussortierten, die Rose schmerzhaft an Ga Gas Malkasten erinnerten. »Es zerreißt mich, dass ich unter der Woche von den Kindern getrennt bin, aber wenn ich nicht bei Edward bin, kann ich nicht atmen. Wir haben so wenig Zeit. Ich weiß, er wird sicher bald eingezogen.«
    »Ich denke überhaupt nicht schlecht von dir.« Dianas hübsches Gesicht wurde weich vor Mitgefühl. »Du musstest mehr aushalten, als man einer Frau zumuten kann. Außerdem haben wir 1940. Die Zeiten ändern sich.«
    Das taten sie tatsächlich. Zu schnell verflogen die kostbaren Nächte in Edwards Zimmer, wenn Rose den Kopf in seinen Armen barg, während der nächste Luftangriff erfolgte. Abgesehen von dem einen Mal, als sie gezwungen gewesen waren, in der U-Bahn-Station unter dem Picadilly Circus zusammen mit mehreren hundert anderen Menschen Zuflucht zu suchen – der Geruch dort erinnerte Rose an Fisch und an Ölfarbe –, war es ihnen zu riskant, unterirdisch Schutz zu suchen, aus Angst, gemeinsam gesehen zu werden.
    Außerdem war die Angst vor dem Krieg nichts, verglichen mit dem Aufruhr in ihrem Herzen. Hätte man ihr auf Borneo gesagt, dass sie einmal in einem Land leben würde, in dem über eine so lange Zeit hinweg jede Nacht Bomben fielen, hätte sie gedacht, das vor Angst nicht zu überleben. Aber weil alle davon betroffen waren, wurde es zu einem Teil des Lebens, obwohl es natürlich sehr traurig war, wenn die Söhne und Ehemänner anderer Menschen ihr Leben verloren. Roses Herz erstarrte bei der Vorstellung, dass ihre Jungs zum Kriegsdienst herangezogen werden könnten.
    Dann kam die Nachricht, die sie erwartet hatte. »Ich habe meine Einberufung«, sagte Edward eines Tages, als sie sich für ihre Rückkehr zu Edna und den Kindern bereit machte.
    Fast sofort begannen ihre Schläfen zu pochen.
    »Ich werde zurückkommen«, sagte er und strich ihr über das Haar, das sich in dem Verschluss der Perlen verfangen hatte. »Und dann lässt du dich scheiden, und wir werden heiraten und Kinder bekommen.«
    Sie klammerten sich aneinander, während jeder im Kopf den Traum von Kindern mit rosigen Wangen verfolgte, die im Obstgarten auf Schaukeln saßen, wo es keine Bomben oder Ehemänner oder Frauen mit billigem Lippenstift gab. Keiner sprach den Gedanken

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