Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)
Worte auf italienisch zu sagen, fuhr Silvestri sofort in seiner Muttersprache fort, bis sie abwinkte und er ihr lachend die Hand auf den bloßen Arm legte. Auch wenn sie danach vor allem mit Millar sprach – Perlmann war ganz sicher, daß sie Silvestris Gegenwart neben sich keinen Moment vergaß.
Anglistik und Geschichte, sagte sie, als Millar nach ihren Studienfächern fragte. Aber vielleicht ändere sich das auch noch, sie sei noch ganz am Anfang. Sie machte in den Antworten auf Millars Fragen nach den Einzelheiten des Studiums mehr sprachliche Fehler als vorhin, und Perlmann hatte keine Ahnung, was er aß.
Doch dann, als die Rede auf Faulkner kam und im besonderen auf The Wild Palms, sprudelte es fast fehlerfrei aus ihr heraus, und er fragte sich mehr als einmal, woher sie all diese ausgefallenen Wörter nahm. Ihr Essen wurde kalt, während sie mit glühendem Gesicht ihre These verteidigte, und auch Millar, der den Roman nicht mehr ganz gegenwärtig hatte und überraschend schwach argumentierte, legte öfter das Besteck hin und faßte an die blitzende Brille. Als sich ein klarer Punktesieg für Kirsten abzeichnete, zwang sich Perlmann, wenigstens den letzten Bissen des Filets mit Verstand zu essen, und dabei dachte er an den Kollegen Lasker, der seiner Tochter wegen extra stehengeblieben war.
Ohne zu wissen, warum, vermied er es, in Evelyn Mistrals Richtung zu blicken. Aber zweimal fing er doch einen Blick von ihr auf, und beide Male verwirrte ihn die spöttische Scheu in den grünen Augen. Als würde durch die Anwesenheit seiner Tochter etwas an ihm sichtbar, was sie zu ihrem Ärger in den bisherigen Empfindungen störte.
Laura Sand dagegen hörte der Diskussion über Faulkner in ihrer mürrischen Art zu und fragte am Ende, in welche Phase seines Lebens dieser Roman falle. Ein einziges Mal, als sie sich von Perlmann unbeobachtet glaubte, huschte ihr Blick über ihn weg und verriet, daß auch sie damit beschäftigt war, ihr bisheriges Bild von ihm zu überprüfen.
Beim Kaffee bot Silvestri Kirsten eine Gauloise an. Mit gewandtem Lächeln beugte sie sich über sein Feuerzeug, sog den Rauch ein und bekam einen Hustenanfall. Silvestris unrasiertes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, und seinen nächsten Zug behielt er besonders lange in der Lunge. Tapfer wischte sich Kirsten das Wasser aus den Augen und nahm vorsichtig einen weiteren Zug; jetzt hatte sie den Hustenreiz bereits unter Kontrolle. Während sie Milch und Zucker in den Kaffee tat, ließ sie die Zigarette mit den violetten Spuren lässig im Mundwinkel hängen. Als Silvestri sie weiterhin spöttisch betrachtete, sah es einen Moment so aus, als würde sie ihm gleich die Zunge herausstrecken.
Von Levetzov hielt Kirsten beim Hinausgehen die Tür und machte eine kleine Verbeugung. Perlmann, der hinter ihr ging, hatte genug davon, seine Tochter im Kräftefeld der Kollegen zu sehen, und wäre am liebsten hinaufgegangen. Aber jetzt gab Kirsten gerade Evelyn Mistral die Hand, die dabei den Kopf fast so schief hielt wie sonst Millar, und dann gingen die beiden Frauen, ohne miteinander zu sprechen, nebeneinander in Richtung Salon.
Während Millar spielte, sah Kirsten öfter kurz zu Perlmann hinüber und gab ihm mit dem geringschätzigen Zucken ihrer Lippen, das Agnes eine Zeitlang rasend gemacht hatte, zu verstehen, daß sie überhaupt nicht verstand, warum er sich angesichts dieser mittelmäßigen Leistung versteckte. Und als Millar sich erhob und den Deckel über den Tasten zumachte, war ihr Klatschen das kürzeste und schwächste.
Dabei war er gut gewesen, eher besser noch als sonst, und ein bißchen tat es Perlmann weh, daß seine Tochter meinte, ihn mit ihrem parteiischen Urteil aufmuntern zu müssen.
Obwohl Kirsten jetzt nur noch selten etwas gefragt wurde, wirkte sie aufgedreht, wandte jedem, der das Wort ergriff, den Kopf zu und rauchte zu Silvestris Vergnügen eine Gauloise nach der anderen. Als jemand in einem Nebensatz Perlmanns bevorstehende Einladung nach Princeton erwähnte, runzelte sie die Stirn und lächelte ihm dann zu. Sie war die letzte, die sich beim Aufbruch erhob.
Unten an der Treppe trat Evelyn Mistral auf Perlmann zu, der neben Kirsten ging.
«Es wird wohl wieder nichts mit unserem Hochzeitsspaziergang», sagte sie auf spanisch und sah demonstrativ nur ihn an.«Du hast sicher anderes vor. »
«Eh... ich weiß nicht... ja, wir werden wohl...», sagte er und ärgerte sich gleichzeitig über sein Stottern wie auch darüber, daß
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