Perlmanns Schweigen: Roman (German Edition)
Millar über den ganzen Tisch hinweg, als der Kellner die Suppe gebracht hatte.«Als Sie dann wieder nicht beim Essen waren, habe ich mir Sorgen gemacht. Das haben übrigens alle. »
Perlmann spürte, wie sich seine Angst vor Millar plötzlich in schwarzen Humor verwandelte, der von einem angenehmen Schwindel begleitet wurde, wie ihn die erste Zigarette am Morgen immer noch auslöste.
«Mir geht’s prima», sagte er. würde er das Gesicht nennen, das ich jetzt mache.
«Das weiß ich inzwischen auch», sagte Millar und neigte den Kopf,«Evelyn hat mir vorhin die Sache mit dem neuen Zimmer erzählt. »
Perlmann blickte in das Meeresgrün ihrer Augen. Sie hatte ihr Gesicht in der Gewalt, aber in den Augen war ein schalkhaftes Lachen, das seinen Ursprung direkt in den dunkelgelben Einsprengseln zu haben schien.
«Ja», sagte er.«Das Bett. Der Rücken. Kennen Sie das auch?»
«Nein», erwiderte Millar,«das kenne ich nicht. Überhaupt nicht. »
«Er hat es zwischen uns einfach nicht ausgehalten, Brian», grinste Ruge.
Millar nahm seinen Ton auf.«Dabei sind wir doch zwei so nette Jungs, Phil. Aber ernsthaft: Können wir uns für morgen verabreden? »
Die Panik durfte in seiner Stimme nicht durchscheinen, und Perlmann fuhr mit den Fingerspitzen die Stirn entlang, vor und zurück, und dann noch einmal.
«Ich habe morgen viel vor», sagte er und war froh, als er merkte, daß das Beben in der Stimme bloße Vorstellung geblieben war.«Ich melde mich irgendwann nächste Woche. »
«Okay», sagte Millar gedehnt, und Perlmann war ganz sicher, daß in dieser Dehnung ein beginnender Argwohn zum Ausdruck kam. Oder zumindest enthielt die Dehnung die Botschaft, daß ein Argwohn unausweichlich würde, sollte die Sache danach noch ein weiteres Mal aufgeschoben werden.
Perlmann hob den Teller an und versuchte, auch noch den letzten Rest Suppe in den Löffel zu bekommen. Das grenzte bei dieser Art Löffel an ein Kunststück, und so kam es, daß er Carlo Angelini erst bemerkte, als Silvestri aufstand, um ihn zu umarmen. Angelini warf Perlmann ein entschuldigendes Grinsen zu und ging um den Tisch herum, um als erstes die Damen zu begrüßen. Schließlich holte er vom Nachbartisch einen Stuhl und setzte sich neben Perlmann. Er müsse leider morgen früh schon wieder weiter, sagte er, aber er habe wenigstens heute abend hereinschauen wollen. Wie es denn liefe?
«Benissimo», sagte Evelyn Mistral, als Perlmann mit der Antwort zögerte. Es sei alles perfekt, bestätigte Millar, und bevor von Levetzov das Wort ergreifen konnte, sprach er Angelini im Namen der Gruppe seinen Dank aus.
Angelini ließ sich die Organisation der Arbeit erklären und fragte dann nach den Themen.
«Woran Sie arbeiten, weiß ich ja ungefähr», sagte er zu Perlmann, der keine Ahnung mehr hatte, was er ihm damals in Lugano erzählt hatte. Und dann, mit einem Lächeln, das zwischen Stolz und Ironie schwankte, kündigte er an, daß der Bürgermeister von Santa Margherita sie alle empfangen werde.
Aus den Augenwinkeln sah Perlmann, wie Laura Sand vorgab, sich zu schneuzen, um nicht in Lachen auszubrechen. Nur eine kleine Feier, sagte Angelini, und als Höhepunkt werde Perlmann als der Leiter des Projekts zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.
«Mit Urkunde und Medaille», grinste er.«Stattfinden wird die Sache am Montag der letzten Woche, also übermorgen in drei Wochen», sagte er nach einem Blick in den Taschenkalender.«Vormittags um elf. Natürlich werde ich selbst auch da sein. »
Wenn Silvestri in der vierten Woche vorträgt, gewinne ich durch den Empfang einen Tag.
«Dann tragen Sie einfach Montag nachmittag vor», sagte von Levetzov zu Perlmann.
«Und von einem frischgebackenen Ehrenbürger erwarten wir natürlich etwas ganz Besonderes», gluckste Ruge.
Angelini lud alle auf einen Drink in den Salon ein. Es war rätselhaft, was Angelini und Silvestri miteinander verband, dachte Perlmann, als er hinter den beiden herging und sie scherzen sah wie sehr gute Freunde. Angelini, der italienische Yuppie im eleganten Anzug, der sich in der Welt der Konventionen bewegte wie ein Fisch im Wasser, und Silvestri, dieser widerspenstige, anarchistisch empfindende Individualist, der heute abend zufällig auch noch ein zerknittertes schwarzes Hemd trug. War es die gemeinsame Schulzeit? Oder weil sie beide aus Florenz kamen?
Mein Haß auf Konventionen, dachte er, als er die Floskeln hörte, mit denen Angelini sich nacheinander an die Kollegen wandte.
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