Pern 03 - Drachengesang
die Drachen-Steine. Es hatte keinen Sinn, wenn sie sich umdrehte; die drohende Gefahr preßte ihr den Atem ab, den sie so dringend zum Laufen brauchte.
Sie rannte jetzt ganz nahe an der Bruchkante der Küstenklippen. Sie war schon einmal in die Tiefe geschlittert, ohne sich den Hals zu brechen: sie würde es noch einmal riskieren, wenn das Wasser die letzte Rettung bedeutete.
Sie lief, und ihre Aufmerksamkeit wanderte hin und her zwischen den Drachen-Steinen und dem Terrain.
Sie hörte das Sausen, das erregte Kreischen der Feuerechsen, sah den Schatten und warf sich zu Boden. Instinktiv warf sie beide Arme über den Kopf und wartete auf den sengenden Schmerz der Fäden. Dann roch sie Feuerstein, und eine 134
Sturmböe fegte über sie hinweg.
»Los, steh auf, du Dummkopf! Rasch! Die Fäden haben uns fast erreicht.«
Ungläubig schaute Menolly auf, direkt in die wirbelnden Augen eines braunen Drachen. Er hielt den Kopf schräg und summte erregt.
»Steig auf!« befahl sein Reiter.
Nach einem Blick auf die Feuerblitze und die nahe Phalanx des Drachengeschwaders verschwendete Menolly keine Zeit mehr. Sie rappelte sich hoch, umklammerte die ausgestreckte Hand des Drachenreiters und wurde mit rauhem Schwung auf den Nacken des großen Tieres gehoben.
»Halt dich an mir fest! Und hab keine Angst. Ich bringe dich nach Benden. Das Dazwischen ist kalt und schwarz, aber ich werde bei dir sein.«
Das Gefühl, in einem Moment gerettet zu werden, da sie schon fest mit dem Tod gerechnet hatte, überwältigte das Mädchen so sehr, daß sie kein Wort herausbrachte. Der braune Drache nahm kurz Anlauf, ließ sich ein Stück in die Tiefe fallen, um Raum für seinen Schwingenschlag zu gewinnen, und stieg dann in den Himmel. Menolly spürte sein weiches, warmes Fleisch und das rauhe Wherleder, in das sich der Reiter gehüllt hatte. Sie atmete tief durch. Einen Moment lang sah sie, daß ihre kleinen Echsen sich abmühten, dem Drachen zu folgen, dann war sie im Dazwischen.
Der Schweiß gefror ihr auf Stirn und Wangen, Kälte durchdrang ihre zerrissenen Stiefel und biß sich in den wunden Sohlen fest. Sie hatte das Gefühl, daß sie gleich ersticken mußte. Angstvoll umklammerte sie den Reiter, aber sie spürte weder ihn noch den Drachen.
Jetzt erst begriff sie jedes Wort der Lehrballaden. Jetzt, in ihrem Entsetzen, verstand sie, was gemeint war.
Unvermittelt konnte sie wieder sehen, hören und atmen. Sie schwebten in schwindliger Höhe über dem Benden-Weyr. So 135
groß die Halbkreis-Bucht war, die Stätte der Drachen und ihrer Reiter hatte noch gewaltigere Ausmaße.
Als der Braune tiefer schwebte, sah sie die gigantischen Sternsteine und das Felsöhr, in dem sich der Rote Stern immer dann zeigte, wenn eine Periode des Sporenregens bevorstand.
Sie sah den Wach-Drachen zwischen den Steinen, hörte ihn laut trompeten, als der Braune näherkam. Sie entdeckte mehrere Drachen mit ihren Betreuern im Weyr-Becken, sah die Stufen, die zum Lager der Königin führten, und das gähnende Höhlenmaul, das den Eingang zur Brutstätte bildete. Benden war in der Tat viel größer, als sie erwartet hatte.
Der Braune landete in der Nähe seiner Gefährten; Menolly erkannte, daß die Tiere von Fäden verwundet waren und gerade behandelt wurden. Der braune Drache drehte den Kopf nach hinten und schlug ungeduldig mit den halb gespreizten Flügeln.
»Du kannst deinen Würgegriff jetzt lockern, Junge«, meinte der Reiter mit einem nachsichtigen Lächeln und löste die Kampfriemen von seinen Schenkeln.
Menolly murmelte eine Entschuldigung.
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Ich dachte, die Fäden würden mich einholen und …«
»Wer hat dich denn überhaupt aus der Burg gelassen? Der Sporenregen war angekündigt!«
»Ich machte mich in aller Frühe auf den Weg – da findet man die meisten Spinnenklauen.«
Der Mann ging nicht näher auf ihre hastige Erklärung ein, aber Menolly begann zu überlegen, wie sie sich bei den anderen herausreden sollte. Leider fiel ihr nicht ein, wie die Nerat-Burg hieß, welche der Halbkreis-Bucht am nächsten lag.
»Herunter mit dir, mein Junge! Ich muß zurück zu meinem Geschwader.«
Das war nun schon das zweitemal, daß er sie »Junge« nannte.
»Du kannst nicht schlecht rennen. Schon mal dran gedacht, dich zum Botenläufer ausbilden zu lassen?«
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Der braune Reiter stützte sie, so daß sie über die Schulter des Drachen in die Tiefe rutschen konnte. In der gleichen Sekunde, da ihre
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