Pern 03 - Drachengesang
Sanra von der anderen Seite des Tisches her.
»Nein«, erwiderte Menolly und lachte. Ihr war eben etwas sehr Wichtiges eingefallen: Sie befand sich ja nicht mehr in der Halbkreis-Bucht. Hier wußte keiner, daß sie den Harfner ersetzt hatte. Und hier wußte auch keiner, ob sie ihre eigenen Lieder oder die Balladen der Burg sang. So summte sie die kleine Melodie weiter, und sie paßte gut zu dem Rhythmus des Rübenschälens.
»Wie schön, daß hier auch mal jemand fröhlich ist«, meinte Sanra und lächelte ihr aufmunternd zu.
Menolly kam zu Bewußtsein, daß sie schon den ganzen Tag über eine angespannte Atmosphäre gespürt hatte. Das erinnerte an Zeiten auf der Burg, wenn die Flotte überfällig war und alles wartete. Mirrim machte sich augenscheinlich große Sorgen um Brekke, aber sie wollte nicht sagen, warum, und Menolly zögerte, in die Trauer ihrer Pflegerin einzudringen.
»Ich freue mich, weil meine Füße heilen«, erklärte sie Sanra und fuhr dann hastig fort: »Aber ich wollte, jemand würde mir erklären, was mit dieser Brekke los ist. Mirrim scheint ganz krank vor Sorge und …«
Sanra starrte Menolly einen Moment lang an. »Du willst sagen, daß du nicht weißt…« Sie senkte die Stimme und schaute umher, ob auch niemand auf das Gespräch achtete.
»Du weißt wirklich nicht, was mit den Königinnen geschehen ist?«
»Nein. In der Burg am Meer hält man es nicht für nötig, wichtige Nachrichten an Mädchen weiterzugeben.«
Sanra zog erstaunt die Brauen hoch, aber sie nahm die Erklä-
rung an.
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»Nun, Brekke stammt vom SüdKontinent. Das hast du wenigstens gewußt, oder?
Als F’lar die rebellischen Alten in den Süden verbannte, mußten die Machtbereiche neu abgesteckt werden. T’bor wurde Weyrführer in Fort, und Kylara …«
Sanras sonst so sanfte Stimme wurde hart.
»Kylara mit Prideth war Weyrherrin, während Brekke und Wirenth …«
Sanra fiel es schwer genug, die Geschichte einigermaßen ruhig zu erzählen, und Menolly war froh, daß sie nicht Mirrim gefragt hatte,
»Wirenth stieg zum Paarungsflug auf, aber Kylara …«
wieder schlug der Haß in ihrer Stimme durch.
»Kylara hatte Prideth nicht rechtzeitig fortgebracht. Die Königin war ebenfalls der Hitze nahe, und als die Bronzedrachen Wirenth verfolgten, stieg sie auf …«
Tränen standen in Sanras Augen. Sie schüttelte den Kopf, weil sie nicht mehr weitersprechen konnte.
»Beide Königinnen … kamen um?«
Sanra nickte.
»Aber Brekke lebt doch?«
»Kylara hat den Verstand verloren, und wir befürchten, daß es Brekke nicht anders ergehen wird …«
Sanra wischte sich die Tränen ab.
»Arme Mirrim! Und sie ist so gut zu mir.«
Sanra putzte sich geräuschvoll die Nase und sagte dann ein wenig spöttisch; »Mirrim bildet sich ein, die Verantwortung für den Weyr würde allein auf ihren Schultern lasten.«
»Nun, ich finde es jedenfalls bewundernswert, daß sie trotz ihres Kummers weiterschuftet, anstatt sich in irgendeinen Winkel zu verkriechen und in Selbstmitleid zu zerfließen.«
Sanra starrte Menolly an. »Das ist noch lange kein Grund, mich anzufauchen, Mädchen! Und fuchtle nicht so mit dem Messer herum, sonst schneidest du dich noch!«
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»Für Brekke gibt es also wenig Chancen?« fragte Menolly, nachdem sie eine Zeitlang schweigend Rüben geschnitzelt hatte.
Sanra zuckte die Achseln.
»In der Brutstätte reifen die Eier von Ramoth heran, und Lessa ist überzeugt davon, daß Brekke die Königin für sich gewinnen könnte. Brekke hat nämlich zu allen Drachen ein ähnlich enges Verhältnis wie Lessa selbst. Auch Grall und Berd sind ständig in ihrer Nähe … Vorsicht, da kommt Mirrim.«
Es stimmte schon, daß Mirrim, die nicht älter sein konnte als sie selbst, eine gebieterische Miene zur Schau trug. Menolly konnte verstehen, daß eine erwachsene Frau wie Sanra diese Art nicht besonders schätzte. Andererseits fand sie, daß Mirrims Anweisungen immer vernünftig waren. So ließ sie es wortlos zu, daß Mirrim sie zu ihrem Schlafquartier brachte und die Verbände wechselte.
»Du warst den ganzen Tag auf den Beinen, und ich möchte sichergehen, daß sich kein Schmutz in den Wunden gesammelt hat«, erklärte sie streng.
Menolly legte sich gehorsam auf den Bauch und schlug dann schüchtern vor, daß sie in Zukunft die Verbände selbst anlegen könne, um Mirrim diese Arbeit zu ersparen.
»Sei nicht albern! Das wäre viel zu schwierig für dich. Au-
ßerdem habe ich kaum Mühe mit dir. Da solltest du
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