Pern 04 - Drachensinger
Meisterharfners rief sie zurück, als sie den Ausgang erreichte. Robinton stand am Fuß der Treppe, im Gespräch mit Sebell, und winkte sie näher. »Sei so gut und wirf noch einen Blick auf die Eier! Ich weiß, Lessa hat gesagt, daß es ein paar Tage dauern wird, bis …«
Der Meisterharfner zuckte die Achseln.
»Hier entlang.«
Während sie die beiden Männer ins Obergeschoß begleitete, fuhr Robinton fort: »Sebell hat mir eben erzählt, daß du ein wahrer Wissensquell bist.« Er grinste sie an. »Das hast du sicher nicht geglaubt, daß du hier in der Harfnerhalle mit 119
Fischfang zu tun bekommen würdest, was?«
»Nein, Meister. Aber offen gestanden, ich hatte keine Ahnung, wie sich das Leben in einer Harfnerhalle abspielt.«
»Gut gesprochen, Menolly, gut gesprochen.« Und der Harfner lachte. »Die anderen Gilden mögen spotten, daß wir unsere Nasen in Dinge stecken, die uns nichts angehen, aber ich finde immer, daß man um so besseres Verständnis für seine Umwelt entwickelt, je mehr man weiß. Wer sich weigert, immer weiter zu lernen, ist in Gefahr, eines Tages zu stagnieren.«
»Ja, Meister.« Menolly hoffte nur, daß Robinton nichts von der versäumten Stunde bei Meister Domick erfahren hatte.
Sebell lächelte und schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Nun, was hältst du von den Eiern, Menolly? Ich bin im Moment viel unterwegs, möchte aber unbedingt das Ausschlüpfen miterleben, stimmt's, Sebell?«
Der Geselle nickte. »Sonst bin am Ende ich stolzer Besitzer von zwei Echsen …«
Die beiden Männer tauschten wissende Blicke, als Menolly die Eier in den mit warmem Sand gefüllten Tongefäßen überprüfte. Sie drehte sie ein wenig, so daß nun die kältere Seite der Kaminglut zugewandt war. Robinton schürte nach und schaute das Mädchen erwartungsvoll an.
»Die Eier sind härter, Meister, aber in den nächsten beiden Tagen schlüpfen die Kleinen bestimmt noch nicht.«
»Könntest du morgen wieder nachsehen, Kind? Ich bin zwar nicht da, aber Sebell weiß immer, wo er mich erreichen kann.«
Menolly versicherte dem Meisterharfner, daß sie ein wach-sames Auge auf die beiden Echsen-Eier haben würde. Der Harfner nickte befriedigt und brachte sie durch sein Arbeitszimmer zur Tür.
»So, Menolly, du bist inzwischen von Domick, Morshal und Shonagar gründlich unter die Lupe genommen worden. Es gab wenig auszusetzen. Jerint meint, deine Panflöte sei beachtlich, und die Trommel müßte nach dem Trocknen einen guten Klang 120
geben. Die Feuerechsen zeigen sich bereit, auch mit Fremden zu singen. Du hast gleich in den ersten Tagen eine Menge erreicht. Oder was sagst du, Sebell?«
Sebell nickte und lächelte ihr in seiner stillen Art zu. Sie fragte sich, ob die beiden Männer über ihre Schwierigkeiten mit Dunca und den anderen Mädchen Bescheid wußten.
»Und ich kann die Echsen-Eier in guter Obhut lassen. Das ist großartig. Das ist wirklich großartig.« Der Meisterharfner fuhr sich mit den Fingern durch das silbergraue Haar.
Einen flüchtigen Moment lang lag Ruhe auf seinen sonst so bewegten Zügen, und Menolly erkannte Spuren der Erschöpfung und Sorgen. Dann aber lächelte er sie so heiter an, daß sie meinte, sich seine Müdigkeit nur eingebildet zu haben. Nun, wenigstens das Problem mit den Feuerechsen konnte sie ihm abnehmen. Sie beschloß, die Eier mehrmals am Tage zu kontrollieren – und selbst wenn sie dadurch zu spät zu Meister Shonagar kam.
Auf dem Weg zur Pension fiel ihr wieder die Bemerkung des Meisterharfners über den Fischfang ein. Und zum erstenmal kam Menolly zum Bewußtsein, daß sie nie tiefer über das Leben in einer Harfnerhalle nachgedacht hatte. Für sie war das ein Ort gewesen, an dem man Musik machte. Petiron hatte hin und wieder von Lehrlingen gesprochen und auch aus seinen Tagen als Geselle erzählt. Aber das alles war verschwommen geblieben. Sie hatte sich die Harfnerhalle als eine Art Za u-berschloß vorgestellt, wo die Leute sangen statt redeten oder ernst die alten Balladen kopierten. Die Wirklichkeit war ernüchternd, besonders, wenn sie Dunca und die neidischen Mädchen um Pona in Betracht zog. Warum hatte sie geglaubt, alle Harfner und Angehörigen der Harfnerhalle seien über niedere Gefühle erhaben? Warum hatte sie Morshal und Domick mit mehr Menschlichkeit verbrämt, als sie besaßen?
Sie wußte es nicht. Sie lächelte über ihre eigene Naivität.
Und doch, Harfner wie Robinton und Sebell, ja selbst der 121
zynische Domick, standen hoch über dem
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