Pern 04 - Drachensinger
…«
Er grinste sie an.
»Die Knochenarbeit überlasse ich gern den Experten.«
Sie seufzte erleichtert, denn sie mochte Sebell, und der Gedanke, daß er sich allein in einem Segelboot auf das Meer wagen könnte, erschreckte sie. Yanus hatte oft gesagt, das Meer, die Gezeiten und die Winde seien unberechenbar. Selbst dem besten Seemann konnte es zustoßen, daß ein plötzlicher Sturm aufkam und sein Schiff zu Kleinholz zerschmetterte.
»Und noch etwas. Ich fürchte, um das Fischerhandwerk richtig zu verstehen, muß ich auch das Ausnehmen und Einpökeln des Fanges lernen. N'ton meinte, er könne ohne Schwierigkeiten ein paar frische Fische auftreiben.«
Wieder unterdrückte Menolly ihre Neugier, wozu ein Harfnergeselle all diese Dinge wissen mußte.
»Morgen ist ein Ruhetag«, stellte Sebell fest. »Vielleicht gibt es sogar ein Fest in der Burg, wenn das Wetter hält. Aber sobald die kleinen Echsen geschlüpft sind und wir unauffällig verschwinden können … in ein, zwei Tagen vielleicht …«
»Ich darf aber meinen Unterricht bei Meister Shonagar nicht versäumen …«
»Hat er dich schon so stramm am Zügel?«
»Er tobt sofort, wenn …«
»Ja, das kenne ich. Aber er versteht es, eine Stimme aufzu-bauen, wenn dir das ein Trost ist. Mit Instrumenten hatte ich nie Schwierigkeiten, nur das Singen …« Sebells Gedanken 170
schienen in die Vergangenheit zu schweifen. »Ich befürchtete immer, man würde mich eines Tages aus der Gildehalle fortschicken …«
»Was?«
»Doch, ehrlich. Ich hatte mir schon als kleiner Junge in den Kopf gesetzt, Harfner zu werden. Mein Pflegevater unterstützte mich, so gut er konnte, und der Harfner in unserer Burg – nun, er war nicht gerade kreativ, aber ein gründlicher Lehrer, der die Techniken beherrschte. Ich hielt mich also für einen begabten Musiker – bis ich hierherkam.« Sebell schüttelte den Kopf.
»Erst mit der Zeit begriff ich, daß zum Harfnerberuf weit mehr gehört als ein einigermaßen sauberes Spiel.«
Menolly zeigte volles Verständnis.
»So wie zum Seemannsberuf mehr gehört als Fische ausnehmen und Segel setzen?«
»Genau. Wobei mir etwas einfällt: Domick hat dir zwar die Vormittagsstunde erlassen, aber er besteht darauf, daß du übst.
Damit könnten wir uns gemeinsam die Wartezeit verkürzen.
Mein Kompliment übrigens! Du hast Domick gestern ja ganz schön eingewickelt!«
»Eingewickelt? Was meinst du damit?«
Sebell starrte sie mit großen Augen an. »Heißt das etwa, daß du diese Art von Musik echt magst?«
»Aber … aber sie war doch großartig. Ich hatte noch nie etwas Schöneres gehört.« Menolly begriff Sebells Haltung nicht ganz.
»Richtig, du bist noch neu hier. Das erklärt vieles. Ich hoffe nur, dir hängt Domicks ewige Suche nach ›den reinen Musik-formen‹ in ein paar Planetenumläufen nicht zum Halse heraus.« Er schüttelte sich und breitete einige Notenblätter aus.
»Hier. Mal sehen, wie dir das gefällt. Domick möchte, daß du die erste Gitarre übernimmst, es schadet aber nichts, wenn du auch die zweite lernst.«
Die Festmusik für zwei Gitarren war äußerst schwierig zu 171
spielen, mit ständig wechselnden Rhythmen und Griffen, die auch eine gesunde Hand kaum bewältigen konnte. Zusammen mit Sebell arbeitete Menolly Ersatzgriffe für die Stellen aus, die ihre linke Hand nicht schaffte. Das Leitthema wechselte ständig von einer Gitarre zur anderen. Sie hatten zwei der drei Sätze durchgespielt, als Sebell eine Pause vorschlug. Er stand auf, streckte sich und knetete seine verkrampften Finger und Arme.
»Wir kriegen das Stück heute doch nicht mehr hin«, protes-tierte er, als Menolly den dritten Satz beenden wollte.
»Tut mir leid, ich wußte nicht …«
»Entschuldige dich doch nicht dauernd!«
»Tut mir … äh, ich …« Sebell lachte sie aus, und sie fuhr fort: »Diese Musik ist eine Herausforderung. Ehrlich. Zum Beispiel hier …« Und sie deutete auf eine schnelle Passage, die ungemein schwierig zu greifen war.
»Es reicht, Menolly. Ich bin todmüde. Daß du nicht längs t aufgegeben hast, wundert mich.«
»Aber du bist doch Harfnergeselle …«
»Nicht einmal ein Harfnergeselle kann den ganzen Tag Musik machen.«
»Was tust du eigentlich sonst noch? Außer den Fischern auf die Finger gucken, meine ich.«
»Was immer der Meisterharfner von mir verlangt. In erster Linie gehe ich auf Wanderschaft. Ich suche in den Burgen und Gilden nach begabtem Harfner-Nachwuchs und bringe neue Musik zu den
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