Pern 06 - Der Weisse Drache
Farbmarkierungen.
»Kennst du sie?«
Nein.
»Wo sind die beiden Königinnen, die dir das Wann zeigten?«
Ich weiß nicht. Sie blieben zurück, weil sie glaubten, daß du sie nicht mehr benötigst. War das falsch?
Jaxom ärgerte sich, daß er nicht auf ihrer Begleitung bestanden hatte. Allein fühlte er sich ziemlich unsicher.
Da ist Feuerstein, stellte Ruth fest. Und sieh mal, hier –
Flammenspuren! An dieser Stelle haben die Bronzedrachen die FeuerEchsen angegriffen. Vor langer Zeit. Über den versengten Streifen wächst schon Unkraut.
»Drachen gegen Drachen!« Böse Ahnungen bedrängten
Jaxom. Er wußte, daß er sich erst wieder wohl fühlen würde, wenn das Ei da war, wo es hingehörte – in Benden.
»Wir machen noch einen Sprung, Ruth. Hier können wir nicht länger warten.«
Entschlossen hüllte er das Ei in die Felldecke, verknotete sie und schlang den mitgebrachten Strick um die Zipfel. Er befestigte das Bündel eben zwischen Ruths Schultern, als er ein lautes Knirschen und Mahlen hörte.
»Ruth! Du denkst doch nicht im Ernst daran, andere Drachen mit deinem Feueratem anzugreifen!«
Nein, natürlich nicht. Aber glaubst du, sie wagen es, mich anzugreifen, wenn ich Flammen speien kann?
Jaxom war so beunruhigt, daß er nicht widersprach. Er begann die Knoten zu überprüfen, doch eine innere Stimme drängte ihn vorwärts, und so stieg er einfach auf.
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»Wir gehen fünf Planetenumläufe weiter nach Keroon, an unseren gewohnten Platz. Kannst du dir die Koordinaten vorstellen?«
Ruth dachte einen Moment lang nach und bejahte dann.
Im Dazwischen quälte Jaxom die Sorgen, ob die Sprünge nicht zu lange dauerten und das Ei zu sehr abkühlte. Wenn er am Ende die kleine Königin bei seinem Rettungsversuch umbrachte? Ihm schwindelte von all den Zeitsprüngen.
Mühsam beruhigte er sich. Er befand sich immerhin auf dem Rückweg. Und noch waren die Drachen nicht gegen ihre
Artgenossen zum Kampf angetreten. Noch nicht.
Die flimmernde, heiße Luft der Keroon-Wüste wärmte sein niedergedrücktes Inneres ebenso wie seine durchfrorenen Knochen. Ruth wirkte aschfahl unter der Schlammschicht.
Jaxom löste den Strick und legte das Ei in den Sand. Ruth half ihm, es einzuscharren. Es war Vormittag, nicht weit von dem Moment entfernt, da das Ei zurückkehren würde, aber noch mindestens sechs Planetenumläufe früher.
Ruth erkundigte sich, ob er nicht endlich im Meer baden könne, aber Jaxom entgegnete, daß sie damit besser warteten, bis sich das Ei wieder in der Brutstätte befand. Keiner hatte erkannt, wer es zurückgebracht hatte; keiner durfte es erkennen, und das bedeutete, daß der weiße Drache getarnt bleiben mußte.
Was ist mit den FeuerEchsen?
Das hatte auch Jaxom beunruhigt, aber er glaubte die Antwort zu kennen. »An jenem Tag war keine einzige in der Brutstätte
– und was sie nicht sehen, können sie auch nicht wissen.«
Jaxom beschloß, nicht genauer über das Thema nachzudenken.
Er war völlig erschöpft, als er sich gegen Ruths warme Flanke lehnte. Sie würden eine Weile ausruhen und das Ei in der Vormittagssonne liegenlassen, ehe sie den letzten und schwie-rigsten Sprung wagten. Sie mußten genau an der Stelle innerhalb der Brutstätte landen, wo der Eingangsbogen sich abrupt 145
absenkte und die Sicht vom Weyrkessel ins Innere der Brutstät-te versperrte. Also genau gegenüber der Felsenspalte, durch die Jaxom und F’lessan vor so vielen Planetenumläufen Ramoths Eier heimlich beobachtet hatten. Ein Glück, daß Ruth so klein und wendig war! Und er rühmte sich ja immer, daß ihm das Aufsuchen des richtigen Zeitpunkts keinerlei Schwierigkeiten bereitete.
Selbst in der heißen Wüstenebene von Keroon herrschte keine vollkommene Stille. Insekten surrten, eine Brise raschelte im vertrockneten Gras, Schlangen glitten durch den Sand, und in der Ferne schlug die Brandung ans Ufer. Das Verstummen solcher Geräusche kann wie ein Donnerschlag wirken, und so war es die unvermittelte Stille und ein kaum wahrnehmbares Schwanken des Luftdrucks, das Jaxom und Ruth aus ihrer Schläfrigkeit riß.
Jaxom schaute hoch, gefaßt auf einen Angriff von Bronzedrachen, die ihnen ihre Beute entreißen wollten. Der Himmel über ihnen wölbte sich klar und blau. Jaxom stand auf, spähte in die Ferne und erkannte die Gefahr: Ein silbriger Schleier verdeckte den Rand der Wüste – es regnete Sporen. Mit einem Sprung war er neben dem Ei. Ruth buddelte in höchster Eile den Sand beiseite. Während Jaxom
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