Pern 06 - Der Weisse Drache
schwang er sich auf Ruth und ließ sich zurück zur Burg bringen.
Nun, da er den Entschluß zum Handeln gefaßt hatte, fiel es ihm erstaunlich leicht, auch den Rest zu erledigen. Wortlos holte er seine Reitkleider, einen Strick und eine Felldecke für 141
das Ei. Er schlang ein paar Bissen hinunter und blinzelte Brand mit Verschwörermiene an, als er die Burg verließ, froh um die prächtige Ausrede, die ihm seine sogenannte »Affäre« mit Corana bot.
Länger dauerte es, Ruth zu überzeugen, daß er sich im schwarzen Schlamm des Telgar-Deltas wälzen solle, aber Jaxom gab seinem Gefährten zu bedenken, daß eine weiße Haut sich gegen die Tropennacht ebenso auffällig abhob wie gegen die Schatten der Brutstätte.
Aus den Bildern, die Ruth von den beiden Königinnen erhielt, glaubte Jaxom mit einiger Sicherheit schließen zu können, daß die Alten das Ei zwar zurück in die Vergangenheit getragen hatten, der Ort jedoch unverändert geblieben war. Der warme Sand des alten Vulkans, in dem später der Süd-Weyr entstehen sollte, schien auch der einzig geeignete Platz. Jaxom hatte die Sternbilder des Südens auswendig gelernt und hoffte, daß er ungefähr erkennen würde, in welcher Zeit er landete. Wenn nur Ruths kühne Behauptung stimmte, das Wann eines Zeitsprungs bereite ihm überhaupt keine Schwierigkeiten!
Die FeuerEchsen tauchten über dem Flußdelta auf und halfen ihm begeistert, Ruths weiße Haut mit dem klebrigen schwarzen Schlamm zu verkleistern. Jaxom rieb das Zeug auch über die glänzenden Teile seiner Ausrüstung und färbte Gesicht und Hände dunkel.
Irgendwie kam dem jungen Baron das ganze Wagnis unwirklich vor, so als sei er nur Beobachter, nicht aber Handelnder.
Und doch bewegte er sich unaufhaltsam dem vorbestimmten Ereignis entgegen. Jaxom schwang sich ganz ruhig auf den Drachen, vertraute wie nie zuvor auf die Fähigkeiten des Gefährten. Er atmete zweimal tief durch.
»Du kennst das Wann, Ruth. Bringe n wir die Sache hinter uns!«
Es war ohne Zweifel der längste Sprung, den er je gemacht hatte. Er hatte einen Vorteil gegenüber Lessa – er rechnete mit 142
der Eiseskälte und der grauenhaften Stille, die ihn umgab. Aber das änderte nichts daran, daß der Aufenthalt im Dazwischen ihn halb erstarren ließ und das Schweigen wie ein Druck auf seinen Ohren lag. Die Kälte fraß sich bis ins Mark. Den Rückweg durfte er nicht in einem Sprung wagen, denn da hatte er das Ei bei sich, das unbedingt warm bleiben mußte.
Unvermittelt schwebten sie über einer dunklen, feuchtwarmen Welt; es roch nach üppigem Grün und überreifen Früchten.
Einen Moment lang hatte Jaxom das scheußliche Gefühl, daß alles nur ein Sonnen-Traum der FeuerEchsen war. Aber etwas
– Ruths lautlose Schwingenschläge, ein besonderer Hauch in der sanften Nachtbrise – machte die Szene echt und gegenwärtig. Dann sah er das Ei in der Tiefe, einen weißen Fleck rechts unter Ruths vorgestrecktem Kopf.
Jaxom ließ den Drachen ein Stück weitergleiten, um sich den Ostrand des Weyrs anzusehen, die Stelle, von der aus er in der Frühdämmerung eindringen und blitzschnell angreifen wollte.
Dann gab er Ruth die neuen Zeitkoordinaten ein; ein paar Sekundenbruchteile im Dazwischen – und gleich darauf spürte er die Strahlen der Morge nsonne warm auf Schultern und Rücken. Ruth schoß in die Tiefe, dicht über die schläfrigen Bronzedrachen und ihre dösenden Reiter hinweg. Ein geschicktes Tauchmanöver, und die Klauen des Drachen schlossen sich um das Ei. Ehe die verwirrten Bronzedrachen sich erhoben hatten, verschwand Ruth im Dazwischen.
Eine Planetendrehung später tauchte der weiße Drache wieder auf, dicht über dem Weyr. Er besaß gerade noch Kraft genug, das Ei vorsichtig in den warmen Sand zu legen. Jaxom
schwang sich von seinem Rücken und untersuchte die Schale nach Sprüngen, aber sie wirkte unbeschädigt. Und das Ei war noch warm. Er schaufelte rasch Sand darüber, dann ließ er sich neben Ruth zu Boden fallen und rang nach Luft.
»Wir können nicht lange bleiben. Wenn sie schlau genug sind, probieren sie sämtliche Tage durch. Sie können sich 143
ausrechnen, daß wir das Ei nicht in einem einzigen Sprung zurückbringen.«
Ruth nickte, immer noch völlig außer Atem. Dann spannte er sich so unvermittelt an, daß Jaxom herumwirbelte. Zwei Feuerechsen beobachteten sie von der Weyrkante aus. Jaxom sah sie nur einen Moment lang, da sie sofort ins Dazwischen gingen, aber er entdeckte keine
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