Pern 06 - Der Weisse Drache
hielt Brands blaue Echse den Kopf schräg und lauschte. Jaxom deutete auf das Tierchen. Die Echse richtete sich hoch auf, spreizte die Flügel und stieß einen schrillen, langgezogenen Klagelaut aus. Jegliche Farbe wich aus Lytols Gesicht. Zugleich hörten die Männer das dunklere, ebenfalls durchdringende Geschrei von Ruth und dem Wachdrachen, die ihrer Trauer um den Tod der Drachenkönigin freien Lauf ließen. Jaxom goß einen Becher randvoll mit Wein und drückte ihn Lytol in die Hand.
»Ich weiß, das macht den Schmerz nicht ungeschehen«, sagte er rauh. »Aber du kannst dich wenigstens betrinken, bis die Erinnerung betäubt wird.«
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IX.
Frühsommer in der Harfnerhalle
und auf Ruatha,
3.7.15
Der erste Hinweis, den Robinton erhielt, kam von Zair, der unvermittelt aus seinem Vormittagsschlaf auf dem Fenstersims hochschreckte, dem Harfner auf die Schulter flo g und sich an seinem Hals festklammerte. Robinton machte sich vorsichtig frei, denn der Schweif der kleinen Echse schnürte ihm die Luft ab. Wimmernd rieb Zair das Köpfchen gegen seine Wange.
»Was ist denn los mit dir?«
In diesem Moment erhob der Wachdrache auf den Feuerhö-
hen sein schrilles Trompeten. Ein anderer Drache tauchte auf, beantwortete den Ruf des Wachdrachen und setzte dann in einer steilen Spirale zur Landung an.
Jemand klopfte kurz und riß die Tür auf, ohne das »Herein«
abzuwarten. Robinton hatte schon einen Tadel auf den Lippen, als er Menolly erspähte. Prinzeßchen schmiegte sich eng in ihr Haar, während Rocky, Taucher und Poll sie kreischend
umflatterten.
»F’lar und Mnementh sind gekommen!«
»Das habe ich eben selbst bemerkt, meine Liebe. Weshalb die Panik?«
»Panik? Ich bin doch nicht in Panik. Nur aufgeregt. Es geschieht zum erstenmal seit jenem Raub des Königin-Eis, daß der Weyrführer uns hier aufsucht.«
»Dann müssen wir uns anstrengen, mein Kind. Frag Silvina, ob sie ein wenig Kuchen zum Klah hat.« Er seufzte sehnsüchtig. »Leider ist es noch etwas zu früh, um ihm Wein anzubieten.«
»Auf Benden ist es längst nicht mehr so früh wie bei uns«, meinte Menolly, ehe sie das Zimmer verließ.
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Robinton starrte auf die leere Tür und seufzte noch einmal tief. Das Mädchen hatte sich die Entfremdung zwischen ihm und dem Benden-Weyr sehr zu Herzen genommen. Ihm selbst war die Geschichte natürlich auch nicht angenehm gewesen.
Energisch schob er diese Gedankengänge beiseite. Mnementh hatte völlig ruhig geklungen, als er sich beim Wachdrachen anmeldete. Aber was brachte F’lar hierher? Und – eine wichtige Frage – kam er mit Lessas Wissen? Mit ihrem Einverständnis?
Mnementh war inzwischen gelandet. F’lar überquerte jetzt sicher die Wiese. Robintons Ungeduld wuchs. Diese letzten Minuten vor dem Zusammentreffen waren quälender als die vier Siebenspannen der Kälte zwischen Weyr und Gildehalle.
Robinton erhob sich und trat ans Fenster; F’lar überquerte eben mit langen Schritten den inneren Hof. Aber das mußte nichts bedeuten, denn F’lar war immer in Eile.
F’lar grüßte einen Gesellen, der gerade ein Packtier für eine längere Reise belud. FeuerEchsen versammelten sich auf dem Dach. Robinton sah, wie F’lar den Kopf hob und die kleinen Geschöpfe musterte. Einen Moment lang spielte der Harfner mit dem Gedanken, Zair fortzuschicken, solange F’lar bei ihm weilte. Es hatte wenig Sinn, den Groll noch zu schüren.
F’lar betrat die Halle. Durch das offene Fenster vernahm Robinton die Stimme des Weyrführers. Eine Frau antwortete ihm. Silvina? Nein, wohl eher seine Gesellin, dachte Robinton mit einem Lächeln. Sicher hatte sie bereits auf der Lauer gelegen. Ja, genau – F’lar und Menolly kamen die Treppe herauf und plauderten. Ihre Stimmen klangen ruhig. Tüchtiges Mädchen! Locker bleiben – so war es richtig.
»Hallo, Robinton! Menolly erzählte mir gerade, daß ihre Echsen Mnementh ›den Größten‹ nennen«, sagte F’lar mit einem schwachen Lächeln, als er den Raum betrat.
»Sie gehen mit Auszeichnungen sehr sparsam um, F’lar.«
Robinton nahm Menolly das Tablett ab, und die Harfnerin zog 192
sich leise zurück. Das bedeutete allerdings nicht, daß sie ohne Informationen blieb. Prinzeßchen und Zair pflegten einen engen Kontakt und tauschten gern Neuigkeiten aus.
»Es gibt doch keinen Kummer auf Benden?« fragte Robinton und reichte dem Weyrführer einen Becher Klah.
»Kummer nicht gerade.« Robinton wartete. »Aber ein Rätsel, und wir dachten, daß Sie uns
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