Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
kleinen Freuden verzichtet.«
»Theskin, jetzt reicht es aber!« zischte Campen voller Empörung.
Theskin zuckte mit den Schultern. »Ich verschwinde jetzt, um die Wachtposten zu überprüfen. Zum Abendessen bin ich wieder da. Das Schauspiel lasse ich mir auf gar keinen Fall entgehen.« Er blinzelte mir zu, zog Doral am Arm mit und ließ mich mit Campen allein zurück.
Ich hatte allerdings nicht die geringste Lust, mir eine Strafpredigt über meine Verfehlungen anzuhören. »Sieh dich vor, Campen!« sagte ich deshalb. »Sie hat zwei Söhne, und wenn sie weiter so rangeht, verdrängt sie uns bald in die oberen Stockwerke.«
Ganz offensichtlich hatte mein ältester Bruder an diese Möglichkeit noch nicht gedacht. Während er an dem Brocken kaute, den ich ihm hingeworfen hatte, verschwand ich in meinem behaglichen kleinen Zimmer an der Innenseite der Burg.
Ich weiß nicht mehr, ob ich beim Abendessen einen Bissen hinunterbrachte.
Aber ich erinnere mich genau an die gespannte Atmosphäre.
Unsere verstorbene Mutter hatte uns mit aller Strenge zur Gastfreundschaft erzogen, und so kam es, daß keiner von uns angesichts der Provokation aufbegehrte und unhöflich wurde.
Ich erschien als eine der letzten im Speisesaal, und so überraschte es mich, daß sich so viele unserer älteren Verwandten aus dem zweiten Stockwerk eingefunden hatten.
Die großen Tische waren aufgestellt; selbst der Platz meines Vaters auf dem Podium war gedeckt. Allem Anschein nach hatte sich Anella große Mühe gegeben.
»Hat man euch eingeladen?« flüsterte ich Onkel Munchaun zu, als er zu mir herüberkam.
»Nein, aber sie kennt unsere Gewohnheiten, oder?«
Man konnte sicher sein, daß Onkel Munchaun und die anderen Alten jedes aufregende Ereignis witterten und in Scharen herbeiströmten, damit ihnen ja nichts entging.
»Leider konnte ich in den Archiven bis jetzt nichts Brauchbares finden«, fuhr Onkel ruhig fort. »Aber ich habe noch einige der anderen für die Nachforschungen eingesetzt.
Gibt es etwas Neues in den Gildehallen? Wie ich hörte, warst du heute drüben.«
Ich mißachtete den kleinen Seitenhieb. »Meister Tirone kam von seinem Schlichtungsauftrag zurück. Über den Bergpfad.«
»Dann sind ihm die neuen Errungenschaften unserer Burg entgangen?«
»Vermutlich. Ganz sicher ist er der Begegnung mit den Wachtposten entgangen.«
»Was ich beinahe schade finde«, murmelte Onkel Munchaun mit einem boshaften Glanz in den Augen. Dann stieß er mich warnend an. Ich drehte mich um und sah, wie Anella in den Saal rauschte, gefolgt von ihren Eltern.
Ihr großer Auftritt wurde von den hektischen roten Flecken auf den Wangen und dem schwankenden Gang ihres Vaters etwas getrübt. Wie ich später erfuhr, war er nicht betrunken, sondern hatte einen verkrüppelten Fuß. Aber ich war in jenem Augenblick nicht dazu fähig, Barmherzigkeit oder Mitleid zu empfinden. Der Alte besaß zumindest soviel Anstand, eine verlegene Miene aufzusetzen.
Anella trug ein üppig besticktes Goldgewand, das weder einem Abendessen im Familienkreis noch der Trauer von Burg Fort angemessen war. Sie schwebte die drei Stufen zum Podium empor und ging mit festen Schritten auf Mutters Stuhl zu. Onkel Munchauns Hand legte sich beruhigend auf meinen Arm.
»Baron Tolocamp wünscht, daß ich folgende Erklärung verlese!« Ihre Stimme klang schrill und schneidend, als wolle sie ihre neue Autorität durch Lautstärke unterstreichen. Sie entrollte ein Pergament und richtete die vorquellenden Augen auf die Botschaft:
»Ich, Erbbaron Tolocamp, zur Zeit aus Gründen der Quarantäne an der aktiven Leitung von Burg Fort verhindert, ernenne hiermit Lady Anella zur Burgherrin und übertrage ihr die Geschäfte der Burg, bis die von uns erwünschte eheliche Verbindung öffentlich vollzogen werden kann. Mein Sohn Campen wird unter meiner Leitung die Pflichten des Burgherrn übernehmen, bis die Quarantäne aufgehoben ist.
Ich verlange hiermit ausdrücklich von euch allen, daß ihr meine Anordnungen beachtet und jeden Kontakt mit Fremden meidet, bis Meister Capiam oder sein Stellvertreter in der Heiler-Halle die Quarantäne aufgehoben hat.
Zuwiderhandlungen werden mit Aberkennung der Familien-rechte und Verbannung bestraft. Ich fordere ferner das absolute Einhalten aller zusätzlichen Vorkehrungen, die ich getroffen habe, um die Sicherheit und das Wohlergehen von Fort, der ältesten und größten Burg auf Pern, zu gewährleisten.
Gehorsam heißt Leben, Befehlsverweigerung
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