Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
verschlüsselten Botschaften, aber die Leute ahnten natürlich, daß etwas Schlimmes vorging. Manchmal spürte man ganz einfach, daß die Trommeln eine gute Nachricht übermittelten. Dann wirkten die Schläge heller und höher, so als würden die gespannten Häute vor Freude singen. Wer konnte es mir verübeln, wenn ich an diesem Tag den Eindruck hatte, daß die Instrumente weinten?
Gegen Abend schlichen sich Fehler in die Nachrichten ein, als die übermüdeten Trommler immer häufiger im Rhythmus stockten. Ich war gezwungen, mir Wiederholungen anzuhören -
verzweifelte Bitten, Ersatzheiler nach Keroon und Telgar zu schicken, weil die Leute, welche die Seuche bekämpfen sollten, selbst daran gestorben waren. Ich stopfte mir Watte in die Ohren, damit ich schlafen konnte. Dennoch schien mein Trommelfell im Rhythmus der Unheilsbotschaften zu vibrieren.
KAPITEL IV
14.3.43
Einer der Wattepfropfen löste sich während meines unruhigen Schlafs, und so hörte ich am Morgen schmerzhaft laut die Trommelbotschaft vom Tod meiner Mutter und meiner Schwestern. Ich zog mich an und ging zu Lilla, Nia und Mara, um sie zu trösten. Gabin flüchtete sich zu uns; sein Gesicht war gerötet, so sehr hatte er sich bemüht, nicht in der Öffentlichkeit zu weinen. Kaum angelangt, preßte er den Kopf an meine Schulter und schluchzte laut los. Ich weinte ebenfalls. Um meine Schwestern, aber auch aus Reue, weil ich ihnen keine glückliche Reise gewünscht hatte.
Sämtliche Geschwister bis auf Campen kamen im Laufe des Vormittags zusammen, und wir trauerten gemeinsam. Ich frage mich, ob insgeheim jemand von uns Tolocamp die Seuche wünschte. Er hatte sich in Sicherheit gebracht, während er Mutter und meine Schwestern kaltherzig der
Ansteckungsgefahr aussetzte.
Als ein Bote von Desdra nach mir fragte, war ich froh um die Ausrede, den Ort des Grams zu verlassen. Ich hätte die Hintertreppe zu den Vorratsräumen benutzen können, um Desdras Bitte nach Arzneien zu erfüllen, aber ich führte den Mann durch den Hauptkorridor. Deutlich hörte ich, wie mein Vater seine Anweisungen mit befehlsgewohnter Stimme durch das offene Fenster brüllte, und ich sah Anella an der ersten Biegung des Korridors lauern. Sie verschwand zwar rasch wie eine Tunnelschlange, aber ihr triumphierender Blick verwandelte meine Gleichgültigkeit ihr gegenüber in Haß und Abscheu.
Der Heiler-Lehrling hatte alle Mühe, mir zu folgen, so schnell rannte ich die Wendeltreppe zu den unteren Höhlen hinab. Als ich Sack um Sack der Kräuter und Wurzeln aufstapelte, die Desdra aufgelistet hatte, wandte er schüchtern ein, daß er solche Mengen niemals bis zur Heiler-Halle schleppen könne.
Meine Stimme klang schrill, als ich nach einem Knecht rief.
Sim schoß verängstigt herein und schaute mich mit großen ängstlichen Augen an, wohl in der Furcht, daß er etwas Wichtiges vergessen hatte.
Mühsam fand ich die Beherrschung wieder und entschuldigte mich bei dem Heiler für meine Gedankenlosigkeit. Vermutlich hätte ich einem zweiten Knecht befohlen, Sim und dem jungen Mann tragen zu helfen. Als ich jedoch den Küchentrakt betrat, entdeckte ich Anella, die Felim gebieterisch zu sich winkte. Ich wußte, wenn ich das Küchengewölbe betrat und dort mitansehen mußte, wie das raffinierte kleine Luder Burgherrin spielte, würde es zum offenen Streit kommen. So nahm ich einen Teil der Last und führte den Heiler-Lehrling und Sim durch einen Seitenausgang ins Freie. Kühle Nachmittagsluft hüllte mich ein und beruhigte mich, aber meine Begleiter hatten immer noch Mühe, meinen schnellen Schritten zu folgen.
Die Harfner-Halle befand sich in hellem Aufruhr, als ich dort anlangte. Von allen Seiten vernahm ich Rufe und
Freudengeschrei. Ich konnte mir nicht denken, was diese Fröhlichkeit hervorrief, aber sie war ansteckend, und ich lächelte, ohne zu wissen warum, einfach erleichtert, daß hier gute Stimmung herrschte. Dann vernahm ich in dem
Stimmengewirr einen vertrauten Bariton.
»Zwischen den beiden letzten Burgen erwischte mich dichter Nebel«, berichtete Meister Tirone, »und dann lahmte zu allem Pech noch mein Renner. Ich fing mir von der nächstbesten Weide ein frisches Tier - der Besitzer möge mir verzeihen -
und ritt gerade los, als ich die erste Trommelbotschaft vernahm. Von dem Moment an legte ich keine einzige Rast mehr zum Essen oder Schlafen ein, Freunde.«
Er seufzte.
»Um den Weg abzukürzen, ritt ich über die Feuerhöhen herein. Deshalb höre ich jetzt
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