Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
Leid ertragen hatte. Er sank in die Knie und trommelte mit beiden Fäusten auf die Steinfliesen ein, während ein wildes Schluchzen seinen Körper schüttelte.
Folien versuchte ihn hochzureißen, aber vergeblich.
Ich konnte den Anblick nicht ertragen und lief zu ihm, kniete neben ihm nieder und preßte seine wundgeschlagenen Fäuste gegen meine Schenkel. Er umklammerte mich so heftig, daß ich einen Aufschrei unterdrückte, aber dann vergrub er seinen Kopf in meinem Schoß und ließ seinem Kummer freien Lauf.
Moreta! Welches Unheil mochte ihr im Fort-Weyr
zugestoßen sein? Ich wußte, daß sich ihre Königin in der Brutstätte befand, dem sichersten Ort des ganzen Weyrs.
Alessans Arme umkrampften meine Hüften, und seine Finger krallten sich in meinen Rücken, während er gegen das neue, furchtbare Leid ankämpfte. Ich drückte ihn so fest an mich, wie ich nur konnte, murmelte besänftigende Worte und versuchte zu begreifen, was geschehen war.
Ich merkte, daß Folien und Tuero neben uns standen, aber ihre Worte gingen in Alessans heftigem Schluchzen und dem Scharren seiner Stiefel unter. Sein ganzer Körper bäumte sich gegen die neue Tragödie auf.
»Laßt ihn weinen!« sagte ich. »Nur so löst sich der Schmerz.
Was kann Moreta zugestoßen sein?«
Desdra gesellte sich zu uns. »Schwer zu sagen. Auch Oklina hat das Bewußtsein verloren. Ich begreife das nicht. Er ist kein Reiter, sie noch keine Kandidatin.«
Wir hörten einen langgezogenen Schrei, schriller und lauter, als er je aus der Kehle des Wachwhers kommen konnte.
»Beim Ei!« wisperte Desdra.
Ich schaute auf und sah B'lerion die Stufen zur Burg herauf stürmen. Jede Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, und sein Blick wirkte völlig erloschen. Nabeth hatte sich entsetzlich verändert. Seine Haut wirkte stumpf und grau. Es war das Wimmern des Bronzedrachen, das wir gehört hatten.
»Oklina!« rief B'lerion und sah sich suchend um.
»Sie ist ohnmächtig, B'lerion.« Desdra deutete auf einen der Tische. Dort lag das junge Mädchen, betreut von einer Dienerin. »Was ist mit Moreta geschehen?«
B'lerions Augen füllten sich unvermittelt mit Tränen. Seine Blicke wanderten von Oklina zu Alessan, der immer noch vom Schluchzen geschüttelt wurde. Dann senkte der Reiter den Kopf auf die Brust und ließ die Schultern hängen. Tuero und Folien stützten ihn.
»Moreta ging ins Dazwischen!«
Ich begriff nicht gleich, was er damit meinte. Drachen und ihre Reiter gingen so oft ins Dazwischen.
»Auf Holth. Die Weyrführer von Telgar verhinderten, daß ihre Reiter das Serum verteilten. Moreta sprang ein. Sie kannte Keroon am besten. Aber Holth war bereits von den
vorangegangenen Flügen erschöpft. Sie verirrten sich im Dazwischen. Und starben!«
Ich drückte Alessan noch fester an mich. Meine Tränen vermischten sich mit den seinen, aber mein Schmerz galt im Moment eher ihm als der tapferen Weyrherrin. Wie konnte er diese dritte Tragödie überstehen? Er hatte sich so mutig gegen die Seuche zur Wehr gesetzt und länger um Suriana getrauert, als es die meisten anderen Männer getan hätten. Ich dachte an meinen Vater, und Verachtung stieg in mir auf. Gab es überhaupt keine Gerechtigkeit mehr auf der Welt? Alessan wurde von einem Schicksalsschlag nach dem anderen heimgesucht, während Tolocamp ein unverdientes Übermaß an Gesundheit, Wohlstand und Sinnenfreuden genoß.
Mir dämmerte in diesem Moment, weshalb Alessan an jenem Tag, als ich nach Ruatha kam, so glücklich ausgesehen hatte.
Ich wußte nicht, wann und wie er und Moreta Zeit für ihre Liebe gefunden hatten; die sechs Gefährten waren höchstens eine Stunde von Ruatha fort gewesen. Aber ich verstand nun besser, weshalb Alessan das Verhältnis zwischen Oklina und dem Bronzereiter B'lerion billigte. Und daß die Weyrherrin Trost bei dem jungen Burgherrn gesucht hatte, konnte ich ihr nachfühlen. Sh'gall war alles andere als ein angenehmer Partner. Arme Moreta. Armer, armer Alessan. Was konnte ihm jetzt noch helfen?
Desdra wußte es. Sie wartete, bis Alessans Schluchzen allmählich verebbte. Dann richteten sie und Tuero ihn auf.
Meine Beine waren eingeschlafen, und ich konnte mich kaum noch rühren. Aber ich hielt seinen Kopf, während Desdra ihm einen Becher Wein einflößte, den sie mit Fellis-Saft vermischt hatte.
Der Ausdruck in seinen Augen wird mich mein Leben lang verfolgen: verloren, völlig verloren, fassungslos angesichts des Verlustes - und unendlich traurig. Er hatte den Becher
Weitere Kostenlose Bücher