Pern 10 - Die Renegaten von Pern
Geltung. Sie lächelte oft, lachte selten und aß gesittet - und Jayge konnte den Blick nicht von ihr wenden.
»Sie ist nichts für deinesgleichen, Geselle«, flüsterte ihm seine Tischgenossin ins Ohr. »Sie ist für den Benden-Weyr bestimmt. Bei der nächsten Gegenüberstellung wird sie sicher eine Drachenkönigin für sich gewinnen.«
Jayge hatte angenommen, die Mädchen, die man bei der Suche entdeckte, würden sofort in den Weyr gebracht, aber vielleicht verhielt sich das bei Pfleglingen von Benden anders. Außerdem gab es in der Brutstätte im Moment kein Gelege, das wußte er.
»Sie war bei der Jagdgesellschaft, der ich unterwegs begegnet bin«, sagte Jayge beiläufig. Er bemühte sich, sie nicht mehr anzusehen, aber es gelang ihm nicht. Sie strahlte eine so wohltuende Frische aus, daß es ein Vergnügen war, ihre ruhigen Bewegungen beim Essen zu beobachten. Und sie war nichts für ihn. Er riß sich los und wandte sich lächelnd der Gesellin zu, die das Gespräch eifrig fortsetzte.
Jayge erschrak ein wenig, als er am nächsten Morgen als erstes dem schwarzhaarigen Mädchen begegnete.
Sie war in Fancys Stall, als er nach einem schnellen Frühstück dorthin kam, um Kesso zu satteln.
»Ich glaube, sie wird sich gut eingewöhnen«, sagte sie und lächelte Jayge sichtlich erleichtert an. »Meister Conwy sagt, sie hat auf dem weiten Weg vom Gestüt hierher keinen einzigen Kratzer abbekommen. Magst du alle Tiere? Oder nur Renner?«
Jayge hatte Mühe, eine passende Antwort zu finden, also lächelte er nur. Ja, dachte er, er hatte richtig gesehen, in ihren Zügen stand Traurigkeit.
»Oh, ich komme mit den meisten Tieren gut zurecht. Wenn man 259
sie richtig behandelt, leisten sie auch etwas. Das Futter ist wichtig.
Es muß der Arbeit angepaßt sein, die man von ihnen erwartet.«
»Bist du für Herdentiere ausgebildet oder für Renner?«
»Ich bin Händler.«
»Ach so, dann kennst du dich sicher besser mit Lasttieren aus.«
Das Lächeln des Mädchens wirkte unerklärlich wehmütig. »Wir hatten ein Gespann - ich nannte sie Stoßer und Drängler. So haben sie sich nämlich oft benommen, aber sie haben uns nie im Stich gelassen.«
Jayge hatte seinen Renner gesattelt und sein Bündel verstaut, ohne es zu merken, und plötzlich überkam ihn Schüchternheit. »Ich muß fort«, sagte er. »Habe noch einen weiten Weg vor mir. War nett, dich kennengelernt zu haben. Gib gut auf Fancy acht.«
»Fancy?«
»Ich gebe allen Tieren Namen. Auch wenn es nur für eine Reise ist.« Er zuckte verlegen die Achseln und verstand sich selbst nicht mehr. Gewöhnlich hatte er keinerlei Schwierigkeiten, sich mit einem Mädchen zu unterhalten. Das hatte sich erst letzte Nacht gezeigt, obwohl es vielleicht nicht zu dem flüchtigen Abenteuer mit der Gesellin gekommen wäre, wenn er geahnt hätte, daß er heute noch einmal mit ihr reden würde. Er führte Kesso rückwärts aus dem Verschlag.
»Fancy ist ein schöner Name für sie.«
Die Stimme des Mädchens folgte ihm.
»Danke. Ich werde gut auf sie achten. Viel Glück.«
Jayge schwang sich auf Kessos Rücken und trabte in flottem Tempo aus dem Stall. Er wünschte, ihm wäre eine Ausrede eingefallen, um noch zu bleiben. Aber sie war für den Weyr bestimmt, und damit war die Sache erledigt!
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Burg Benden, Benden-Weyr
12. Planetenumlauf
Der Weg war gut ausgebaut, aber es war kalt, und manchmal waren die Hänge am frühen Morgen so glatt, daß Jayge erst aufbrach, wenn die Sonne bereits hoch am Himmel stand. Er zog es vor, sich für die Nächte selbst einen Unterschlupf zu suchen oder zu schaffen, manchmal freilich, wenn er einem Pächter begegnete, teilte er das Mittagsmahl mit ihm. Einem Farmer half er, ein beschädigtes Rad zu wechseln, und als der Mann Kessos Hufeisen bemerkte und lobte, fertigte er ihm einen neuen Satz für seinen unbeschlagenen Renner an. In diesem Fall ließ er sich überreden, auf dem Hof zu übernachten, denn es war so spät, daß er seinen Weg nicht fortsetzen konnte.
Trotz dieser gelegentlichen Begegnungen war Jayge viel zu viel allein und hatte genügend Zeit, an das schwarzhaarige Mädchen zu denken. Warum hatte er sie nicht nach ihrem Namen gefragt? Dabei hätte er sich nichts vergeben, sagte er sich, und er hätte gern gewußt, wie sie hieß. Nun ging er alle Frauennamen durch, die er kannte, fand aber keinen, der zu ihr gepaßt hätte. Die unerklärliche Traurigkeit in ihren Augen und der hoffnungslose Zug um den Mund machten ihm
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