Pern 10 - Die Renegaten von Pern
ihre herrlichen Proportionen bewundern konnte, die zahlreichen Fenster in der schützenden Felswand und das Südende des breiten, nach Osten liegenden Innenhofs.
Noch hatte er eine gute Stunde zu reiten, aber schon jetzt tauchten zu beiden Seiten des Flusses in den natürlichen Klippen und Höhlen kleine Bauernkaten auf. Dahinter zogen sich die Benden-Berge nach Nordosten, und fast direkt im Norden lag der Benden-Weyr.
Plötzlich sprengte eine Gruppe von Reitern dicht vor ihm aus einer Schlucht und erschreckte die beiden Renner. Bis Jayge seinen Kesso wieder unter Kontrolle hatte, war er bereits von jungen Leuten umringt, die die beiden Tiere bewunderten und übermütig alle möglichen Fragen an ihn richteten.
»Ich heiße Jayge Lilcamp und soll diese Stute dem Stallmeister in der Burg Benden übergeben. Unverletzt«, fügte er mit Nachdruck hinzu, als einige der Jungen sich dichter herandrängten und Fancy verängstigt die Augen rollte und den Kopf warf.
»Jassap, Pol, bleibt mit euren Hengsten zurück«, sagte ein Mädchen. Jayge warf ihr einen dankbaren Blick zu und riß dann in ungläubigem Staunen die Augen auf.
Sie war nicht das hübscheste der drei Mädchen in der Gruppe.
Ihr schwarzes, zu einem langen, dicken Zopf geflochtenes Haar hing 254
ihr über den Rücken und war mit einem blauen Schal verhüllt, und sie hatte ein ovales Gesicht mit kräftigen, aber keineswegs derben Zügen. Die Farbe der Augen unter den flachen schwarzen Brauen erkannte er nicht, aber die etwas längere Nase war schön gerade, der Mund weich, das Kinn fest und alles zusammen strahlte eine seltsame Traurigkeit aus.
»Jassap und Pol, reitet bitte weiter, und Ander und Forris auch.
Ihr seid gemein, und dabei ist sie so ein hübsches Ding. Baron Raid ist es sicher nicht recht, wenn sie völlig verschwitzt ankommt.« Sie selbst lenkte ihr Tier mit ruhiger, fester Hand, und die anderen fügten sich. Sie hatte stillschweigend die Führung übernommen, ohne direkt Befehle zu erteilen.
»Du bist eine gemeine Minna!« protestierte einer der Jungen, aber er gehorchte, und alle brachten ihre Pferde in Trab und riefen lachend >Minna, Minna, Minna!< , ohne daß Jayge verstanden hätte, was daran so komisch war.
»Sie ist ein wirklich eleganter Renner«, lobte eines der anderen Mädchen und trieb ihre Stute links von Jayge an Kesso heran.
»Hast du die Reise ganz allein gemacht?« Sie lächelte betörend, und er lächelte zurück, solche Annäherungsversuche waren ihm nicht unbekannt.
»Meister Briaret hat sie mir anvertraut«, erzählte er.
Ein zweites Mädchen hatte ihr Tier neben die Kokette gedrängt und sah ihn ängstlich an. »Direkt vom Gestüt? Aber das ist ein weiter Weg, und es gab doch einen Fädeneinfall?«
»Der Zeitpunkt war vorher bekannt, und wir hatten uns in einem Stall untergestellt«, beruhigte er sie.
Die meisten auf eigenem Grund und Boden aufgewachsenen Leute waren befremdet, wenn sie erfuhren, daß er die Fäden nicht fürchtete. Er warf unauffällig einen Blick nach rechts und sah erleichtert, daß das dunkelhaarige Mädchen sich ebenfalls auf gleicher Höhe befand, aber in großem Abstand zu Fancy, die sich 255
allmählich wieder beruhigte.
»Wir waren auf der Jagd«, sagte die Kokette und zeigte auf die Jungen vor ihnen, von deren Sätteln ein paar fette, junge Wherbö-
cke hingen.
»In ein paar Siebenspannen gibt es bei uns ein Fest. Bist du dann noch in der Gegend?« Auch das zweite Mädchen schlug nun diesen schalkhaften Ton an.
Jayge sah zu der Schwarzhaarigen hinüber. Sie beobachtete die aufgeregt dahintrippelnde Fancy und lächelte leise über die Art, wie die Stute ihre Vorderhufe mit einem kleinen, zusätzlichen Schwung aufsetzte. Das Mädchen hatte einen Blick für Bewegungen, das sah man gleich. Er ertappte sich bei der Überlegung, ob er sein Vorhaben wohl noch vor diesem Fest zu Ende bringen könne. Auf dem Tanzboden waren alle gleich.
»Weder Nebel, noch Feuer oder Fädenfall könnten mich fern-halten«, erklärte Jayge und verneigte sich höflich vor der Schalkhaften und der Koketten, doch zum Schluß warf er einen fragenden Blick auf die Schwarzhaarige. Sie lächelte, ein sehr hübsches, natürliches Lächeln ohne jede Ziererei.
»Wir müssen die anderen einholen«, sagte das erste Mädchen.
»Bis später.«
Sie winkte ihm zu und drückte ihrer Stute die Fersen in die Flanken. Fancy zerrte am Führseil, Jayge wickelte es sich fester um die Hand und wartete, daß auch die anderen
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