Pern 10 - Die Renegaten von Pern
Sorgen. Wahrscheinlich war sie im gleichen Alter wie die anderen beiden Mädchen der Jagdgesellschaft, aber sie war ihnen an Reife weit voraus. Des Nachts mischten sich erotische Untertöne in seine Träume, aber das fand er eher erheiternd als beschämend. Auf dem Tanzboden waren alle gleich, sagte er sich noch einmal. Er würde zurückkommen und an diesem Fest teilnehmen. Er würde mit ihr tanzen und die Traurigkeit aus ihren Augen vertreiben.
Der Gipfel des Benden-Weyr beherrschte zunehmend den Hori-261
zont, seine schroffen Wände strahlten eine heitere, unerschütterliche Ruhe aus. Je näher er rückte, desto ungeduldiger drängte Jayge seinen Kesso vorwärts, und desto länger wurden seine Tagesetap-pen. Am vermutlich letzten Tag seiner Reise war er bereits im Morgengrauen auf den Beinen und entdeckte auf einem Felssims jenseits des Flusses einen Lichtschein, der von einem Feuer stammen mußte.
Sofort war er in Alarmbereitschaft.
Er studierte abermals seine Karte und sah, daß sein Lagerplatz nicht die einzige Höhle in unmittelbarer Nähe war. Konnte Thella direkt über die Berge gekommen sein? Ohne zuerst ihre Informanten in den Höhlen von Igen zu befragen? Und wer hatte den alten Brare getötet? Er sagte sich, das Feuer könne durchaus auch einem Hirten gehören, der nach seinen Herden sehen wolle, hielt es aber doch für nötig, der Sache nachzugehen. Aramina war im Benden-Weyr, und wenn Thella sich vor dem Weyr befand, mußten es die Drachenreiter erfahren.
Er band Kesso wieder an, sammelte trockenes Gras, um den Renner zu beschäftigen, und stieg, nachdem er sich vergewissert hatte, daß seine Dolche scharf waren, im morgendlichen Zwielicht zum Fluß hinab. Dort fand er eine ziemlich baufällige Brücke, wahrscheinlich noch aus der Zeit, als die Barone versucht hatten, den Benden-Weyr zu stürmen, und sie ermöglichte es ihm, trockenen Fußes rasch und lautlos über das Wasser zu gelangen. Bald entdeckte er zwar nicht das Feuer selbst, aber seinen Widerschein an einer Felswand, die es von Nordosten her abschirmte. Inzwischen war es so hell geworden, daß er sehen konnte, wohin er trat.
Kurz darauf stieß er auf einen schmalen, gewundenen Pfad und wäre fast auf einem Fladen Herdentierkot ausgerutscht. Der kaum erkennbare Steig erschien ihm sicherer als eine Annäherung in gerader Linie, und so folgte er ihm, bis er sich oberhalb der Stelle befand, von der aus er das Feuer entdeckt hatte. Dort schlug er sich 262
in die dürren Büsche und kroch behutsam, um sich nicht an Dornen oder spitzen Ästen zu verletzen, Schritt für Schritt weiter.
Endlich hörte er Stimmen, zwei Männer und eine Frau - Thella.
Was sie sagten, konnte er nicht verstehen, und er kam auch nicht näher heran, denn der steile Grat vor ihm war zu glatt, um ihn zu erklettern, und im Halbdunkel sah er auch keine Möglichkeit, ihn zu umgehen.
Er kauerte sich nieder und wartete, bis ihm plötzlich auffiel, daß die Stimmen verstummt waren. So schnell er konnte, huschte er im zunehmenden Licht weiter, doch als er sein Ziel erreichte, waren die Wärme der Steine und ein paar verkohlte Äste die einzigen Anzeichen, daß jemand hiergewesen war. Das Innere der kleinen Höhle war sauber - viel zu sauber, dachte Jayge. Unter sich sah er den Fluß, aber keinen Menschen weit und breit. Hatten sich die Banditen etwa nach Westen gewandt, den Hügel hinauf, um auf der anderen Seite in einem neuen Versteck zu verschwinden?
Während Jayge sich fast den Hals verrenkte, um den Hang über sich abzusuchen, tauchten aus der Krateröffnung des Benden-Weyr mehrere Drachen auf und schwebten so majestätisch in den Himmel, als wollten sie mit ihrem Flug die aufgehende Sonne begrüßen.
Jayges erste Begegnung mit einem Drachenreiter war nicht sehr erfreulich verlaufen, doch seine Vorbehalte waren allmählich schwächer geworden, als er bei der Arbeit mit den Bodentrupps andere Vertreter dieser Gruppe kennenlernte. Er hatte gehört, in welch hohem Ansehen die Reiter von Benden standen, und war sogar von Heth zu Thellas geheimer Festung gebracht worden. Der Morgenflug, den er jetzt beobachten konnte war von einer solchen Schönheit, daß er die Drachen und ihre Reiter plötzlich mit ganz anderen Augen sah. Jayge war ganz in den herrlichen Anblick versunken und verschwendete keinen Gedanken daran, daß man ihn vielleicht entdecken könnte. Er sah den Drachen nach, bis sie 263
entweder in den Weyr zurückgekehrt oder im Dazwischen verschwunden waren, ein
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