Perry Clifton und das Geheimnis der weißen Raben
machen wollen.“
Sir Douglas hebt ein wenig hilflos die Schultern und erwidert: „Ich weiß nicht, ob das mit einem solchen Auftrag im Rücken besonders angenehm ist, Mister Clifton.“
Perry Clifton versucht Everbridges Bedenken zu zerstreuen: „Machen Sie sich da mal keine Sorgen. Wir werden schon sehen, daß das Unangenehme das Angenehme nicht allzusehr in den Hintergrund drängt.“
„Übrigens“, Sir Douglas scheint es mit folgender Erklärung sehr eilig zu haben, „entschuldigen Sie bitte, Mister Clifton, daß ich Sie nicht empfangen habe. Aber ich mußte mit meinen Geschwistern in einer dringenden Angelegenheit nach Carefield fahren, leider hat sich die Sache verzögert.“
Perry winkt ab: „Es war mir sogar ganz recht, daß Sie nicht anwesend waren.“ Und als er den verständnislosen Blick des Schloßherrn sieht, erklärt er: „So kann niemand sagen, daß wir aus einem anderen Grunde als dem der Erholung nach Schloß Catmoor gekommen sind. Ich nehme doch an, Sir Douglas, daß außer uns dreien niemand etwas weiß?“
Everbridge schüttelt sofort bestimmt mit dem Kopf. „Niemand außer uns weiß etwas. Weder mein Bruder Henry noch meine Schwester Pamela.“
„Und Ihre Gattin, Sir?“
„Meine Frau ist mit meiner Tochter seit sechs Wochen in Glasgow. Ich habe natürlich auch ihnen nichts von unserer Vereinbarung gesagt. Fragen Sie das aus einem besonderen Grund, Mister Clifton?“
„Wenn ich ehrlich sein soll — ja, Sir. Man scheint, was die Einschüchterungsversuche anbetrifft, keine Zeit verlieren zu wollen.“
Sir Douglas richtet sich auf seinem Holzhocker steif auf. Eine leichte Erregung schwingt in seiner Stimme mit, als er fragt: „Würden Sie bitte etwas deutlicher werden?“
„Gern. Man hat uns einen weißen Raben zugespielt. Einen ausgestopften weißen Raben!“
Douglas Everbridge sitzt wie erstarrt da. Nur in seinen Augen flackert es nervös, und von seinen Lippen kommt es tonlos: „Das ist das erste Mal, daß so etwas am hellichten Tag passiert.“
„Wieso?“ will Perry Clifton wissen.
„Bisher beschränkten sich die Geister, wenn ich es so nennen darf, ausschließlich auf die Nacht.“
„Sie meinen, sie hielten sich an die international bekannte Geisterstunde?“ wirft Clifton mit leisem Lächeln ein.
„Wenn Sie es so nennen wollen, ja. Außerdem ist es seit einem Jahr zum ersten Male, daß der Spuk nicht nur akustisch ist.“
Perry Clifton runzelt erstaunt die Stirn. „Und ich dachte, daß die weißen Raben hier nur so herumschwirren.“ Everbridge wird lebhaft: „Nein, dann hat Sie mein Freund Adam Walker falsch unterrichtet. Nur ein einziges Mal tauchte bisher ein weißer Rabe in Natur auf. Und das war kurz nach dem Brand des Gästehauses. Es handelte sich dabei um ein kurz vorher verendetes Tier, das man einer befreundeten Familie hier im Schloß — es war im übrigen das gleiche Appartement, in dem Sie jetzt wohnen — auf das Bett legte. Sie können sich vorstellen, daß die Herrschaften am nächsten Morgen abreisten.” Der bittere Ton, mit dem Everbridge diese Geschichte erzählt, ist nicht zu überhören, und Perry Clifton scheint zu ahnen, wie Douglas Everbridge unter den gegebenen Verhältnissen leidet. „Ich wußte gar nicht, daß es überhaupt weiße Raben gibt“, gesteht der Detektiv.
„Sie sind, so habe ich mich inzwischen unterrichtet, sehr selten. Und tritt ein Exemplar auf, handelt es sich in der Regel um einen Albino“, erläutert Everbridge seinem Gast. „Sagen Sie, Sir, was ist seinerzeit aus dem toten Tier geworden?“
„Jamesberry hat es irgendwo in der Umgebung vergraben. Ich habe allerdings keine Ahnung, wo.“
„Können Sie sich erklären, warum man sich zu dieser Spukgeschichte ausgerechnet einen weißen Raben ausgesucht hat?“
Douglas nickt bejahend: „Das hängt irgendwie mit der Vergangenheit dieses Schlosses zusammen. Vor einem Jahr fielen meinem Bruder durch Zufall einige alte Pergamente in die Hände. Es waren Pläne und Aufzeichnungen über den Bau des Schlosses, außerdem die Niederschrift einer Prophezeiung, die, so lautete der Beitext, von einer Zigeunerin stammen sollte. Darin kam wohl etwas von weißen Raben vor. Ich habe dieses Schriftstück leider nicht gelesen.“
„Interessant“, murmelt Perry, und laut: „Könnte ich diese Prophezeiung nicht einmal einsehen, Sir? Es könnte doch sein, daß sie gewisse Hinweise auf das enthält, was man beabsichtigt.“
Sir Douglas hebt und senkt bedauernd seine
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