Perry Clifton und die Insel der blauen Kapuzen
Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist. In London trinke ich immer Tee. Was würden Sie mir denn empfehlen, Mrs. Rodger?“
„Na, wenn Sie in London immer Tee trinken, dann versuchen Sie’s auf Turny doch mal mit Kaffee!“
Das Frühstück — Eier und Speck, Hartwurst, Käse, Räucherfisch und herrlich duftender Kaffee — schmeckt ausgezeichnet, und Perry erinnert sich an den boshaften Ausspruch eines Ausländers: Das einzige Genießbare an der englischen Küche ist das Frühstück.
Nun denkt er an sein Versprechen, Dicki von seinen Abenteuern zu berichten, und er setzt sich hin und schreibt in der Schenke einen Brief an den wartenden Jungen.
Dienstag, morgens
Mein lieber Dicki!
Heute nur einen kurzen Bericht von meiner Reise. Wie ich Dir ja sagte, fuhr ich zuerst nach Exeter, um mir diesen Trödler Billy Wark vorzuknöpfen. Bei ihm handelt es sich um einen gewissenlosen Hehler, der in erster Linie mit Diebesgut handelt. Schade, daß Du nicht sehen konntest, wie Dein Freund Perry Clifton den Gauner aus der Unterwelt spielte. Ich glaube, Dicki,. ich war ganz gut. Der liebe Billy Wark jedenfalls schlotterte so vor Angst, daß ich aus ihm den wirklichen Namen des Spieluhr-Verkäufers herauslocken konnte. Dieser heißt nicht Paul Heartly, sondern Gary Allen und soll auf Turny wohnen. Also haarscharf in meiner Windrichtung. Ich bin dann auch am späten Abend auf Turny angekommen. Bisher habe ich noch nicht viel von der Insel sehen können, aber nachher bekomme ich einen Fremdenführer, der mir ein wenig die Umgebung zeigen wird. Ich wohne hier in der Schenke von Mary Rodger, und wenn Du mir schreibst, dann ruhig an diese Adresse. Mein Zimmer hier ist urgemütlich. Die Möbel sind so alt wie Du und ich mal sechs. Na, kannst Du das ausrechnen?
Lieber Dicki, Du findest in dem Umschlag auch einen Brief an Sir Arthur White. Sei so gut und wirf ihn in den nächsten Briefkasten. Da ich hier ja offiziell nichts mit der Britain-Port-Versicherung zu tun haben darf, muß ich den Leuten in London meine Adresse heimlich zukommen lassen. Also vergiß nicht, ihn einzuwerfen, er ist sehr wichtig! Soviel für heute, mein lieber Dicki, und vergiß nicht, Deine Eltern zu grüßen.
Dein Perry Clifton
Perry Clifton schreibt dann noch den bewußten zweiten Brief und klebt alles sehr sorgfältig zu.
„Hallo, Mrs. Rodger, ich habe eine Frage…“
Mary Rodger, die in der Küche hantiert, streckt ihren Kopf durch die Tür: „Hatten Sie eben gerufen, Mr. Clifton?“
„Ja, nur eine Frage: Ist hier in der Nähe ein Briefkasten?“
„O ja“, nickt Mary lebhaft, „keine drei Minuten von hier in Richtung Hafen. Wenn Sie sich beeilen, Mister Clifton, kommt Ihr Brief noch mit der 8-Uhr-Fähre zum Festland.“
Auf dem Rückweg kann er sich zum ersten Mal auf der Insel umschauen: von Schönheit keine Spur. Karges Land, so weit er blickt. Vielleicht ist es auf der anderen Seite der Insel erfreulicher, überlegt Perry Clifton gerade, als sich plötzlich eine Hand auf seinen linken Arm legt... Blitzschnell dreht er sich um und erblickt einen großen, kräftigen jungen Mann neben sich, der ihm freundlich zulächelt.
„Hallo, Mister, Sie sind fremd hier und suchen sicher jemand, der Ihnen ein bißchen was von der Insel zeigt. Ich kenne mich aus — und ein paar Shilling könnte ich auch gut gebrauchen.“
Perry meint bedauernd: „Tut mir aufrichtig leid, junger Mann. Aber da kommen Sie um einige Nasenlängen zu spät. Ich habe bereits einen Fremdenführer engagiert.“
„Sie haben schon einen?“ Enttäuschung steht ihm im Gesicht, und neugierig erkundigt er sich: „Wer ist es denn?“
Doch ohne eine Antwort abzuwarten, wendet der Bursche sich hastig um und ist Sekunden später hinter einer Hausecke verschwunden.
Als Perry kurz darauf die Gaststube betritt, erhebt sich ein älterer Mann. Mary Rodger erscheint in diesem Moment; sie schiebt den Mann mit freundlichem Stubsen auf Perry zu.
„Das ist Peggy! Er ist bereit, Ihnen die Insel und ein paar gute Angelstellen zu zeigen.“
Perry Clifton streckt Peggy die Hand entgegen.
„Hallo, Mister Baker! Ich freue mich, daß Sie mir ein wenig Zeit opfern wollen.“
„Ich tue es gern, Mister...“, erwidert Peggy mit dunkler, ein wenig heiserer Stimme. Und nach einem eigenartigen Gekicher setzt er, verschmitzt mit den Augen zwinkernd, hinzu; „Sie müssen Peggy zu mir sagen. Alle meine Freunde sagen Peggy zu mir. Und Mary hat gesagt, daß Sie ein guter Mensch
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