Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perry Clifton und die Insel der blauen Kapuzen

Perry Clifton und die Insel der blauen Kapuzen

Titel: Perry Clifton und die Insel der blauen Kapuzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
Vom Netzwerk:
Gaststube. Mit wiegenden Schritten — Jimmy war früher Schiffseigner und fuhr über dreißig Jahre einen eigenen Kahn — durchquert er den Schankraum und steuert die Theke an.
    „He, Mary, wo steckst du?“ brüllt er, als habe er eine ganze Schiffsmannschaft an Deck zu holen.
    „He, Mary, zum Teufel, wo steckst du, der alte Jimmy mit der Post ist da!“ Nichols’ Augen hängen begehrlich an der Flaschenbatterie im Regal.
    Da springt die Küchentür auf, und Mary Rodger erscheint mit hochrotem Kopf und wütenden Augen.
    „Ich hab’ im Keller zu tun, Jimmy Nichols. Mußt du schreien? Du bist schließlich nicht allein auf der Insel!“
    Jimmy vergißt vor Schreck den Mund zu schließen.
    „Aber Ma-Ma-Ma-Mary“, stottert er völlig hilflos, und Mary Rodger, die sich schon wieder abwenden will, beugt sich rasch noch einmal zurück: „Leg die Post auf den Tresen und nimm dir einen Gin, Jimmy.“
    Jimmy Nichols sieht sich vorsichtig um. Nein, das hat nur er erlebt. Die kleine Mary Rodger, seine liebe kleine Mary Rodger, die ihm seit Jahren ohne mit der Wimper zu zucken einen Gin eingießt, sobald er mit der Post erscheint, diese kleine Mary hat ihn soeben angeschnauzt. Verdammt, und das kann er noch nicht einmal weitererzählen. Soll er sich vielleicht blamieren? Er, Jimmy Nichols, Kapitän mit Patent für Große Fahrt, läßt sich von einer kleinen rotznasigen Frauensperson anfahren! Und nur, weil er diesen verdammten Job als Inselbriefträger angenommen hat?!
    Her mit der Flasche!
    Jimmy Nichols erinnert sich rechtzeitig, daß vor dem Lohn die Arbeit steht. Mit einem energischen Schwung holt er den imprägnierten Leinensack hinter dem Rücken hervor und legt die Post auf den Tisch. Zwei Briefe, eine Reklamesendung, einen Katalog mit Tulpenzwiebeln.
    Jetzt aber zur Flasche. Sie ist noch halbvoll. Wozu ein Glas? Der wahre Gentleman trinkt aus der Flasche. So hatte er es einmal von einem Penner in Southampton gehört. Na, und ist Jimmy Nichols etwa kein Gentleman?
    Ah, das tut gut! Und merk dir eines, Mary Rodger, mit Jimmy ist nicht zu spaßen!!
    Tiefbefriedigt verläßt Jimmy mit wiegenden Schritten Marys Schankstube. In der Tür prallt er mit einem Mann zusammen.
    „Hallo, Joe, willst du zu Mary? Die ist im Keller und hat Sturm.“
    Joe Porter schiebt Jimmy zur Seite und wirft einen Blick in die Gaststube.
    „Wieso Sturm. Hast du sie geärgert?“ Ohne den Postboten weiter zu beachten, wendet sich Joe Porter der Theke zu. Doch Jimmy Nichols will seinen eigenen Abgang. Sein Gesicht verzieht sich zu einer spöttischen Grimasse, als er dem Händler hinterherruft: „He, Joe Porter, ich habe das Gefühl, daß deine schmutzigen, arroganten, falschen, widerlichen, angeberischen, verlogenen und selbstherrlichen Tage auf Turny gezählt sind. Ich glaube, die Geier drehen schon die ersten Runden über deinem Lädchen und werden sich bald den hübschen Frack schmecken lassen. Geier fressen auch Fräcke, Joe Porter, wußtest du das noch nicht?“

    Joe Porter ist unzufrieden. Nichols Worte haben ihm mehr zugesetzt, als er wahrhaben will. Mißmutig trommeln seine Finger einen Marsch. Unwillkürlich bleiben seine Blicke auf dem kleinen Häufchen Post hängen, und wohl mehr zufällig als beabsichtigt blättert er darin herum. Ein Brief an Mary — wahrscheinlich von ihrem Mann, eine Reklamesendung, ein Katalog für Tulpenzwiebeln und noch ein Brief; Joe Porter stutzt, ist plötzlich gespannt... ein Eilbrief... Joe Porter spürt für Augenblicke sein Herz schlagen... Dann ist der Brief von Mary Rodgers Tresen verschwunden. Joe Porter will sich schon verdrücken, als die Küchentür aufgeht.
    „Was wünschen Sie, Mister Porter?“ Aus Marys Stimme spricht grenzenlose Abneigung.
    „Warum so förmlich, Mary? Jimmy hat die Post gebracht. Er sagte, Sie seien im Keller.“
    „Und? Jetzt bin ich hier. Ich wiederhole noch einmal meine Frage: Was wünschen Sie, Mister Porter?“
    Joe Porter nagt ärgerlich mit den Zähnen an seiner Unterlippe. Zuerst Jimmy Nichols und jetzt Mary Rodger. Er gibt sich keine Mühe, seinen Unwillen zu verbergen: „Ich kam nicht Ihretwegen, Teuerste, ich suche Ihren Gast, Mister Clifton. Sie können ihm ausrichten, daß ich jetzt einen Karton für ihn habe.“
    „Wenn Sie sonst nichts wollen, Mister Porter, dann guten Morgen!“
    Bevor Joe Porter noch einmal Luft holen kann, ist Mary Rodger hinter der Küchentür verschwunden. Wutschnaubend verläßt der Händler die Schankstube.
    Joe Porter hat die

Weitere Kostenlose Bücher